Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
mit der Scheidung der
Eltern einer Klassenfreundin. Da hat Papa mich unterbrochen mit einer Frage:
„Das, was du jetzt erzählen willst, nützt das jemandem, Sonja?“
Ich mußte zugeben, daß das nicht der Fall war.
„Würdest du uns was Gutes dadurch tun?“
Das war auch nicht der Fall.
„Würdest du es auch erzählen, wenn die Menschen, die es angeht, hier anwesend wären?“
„Nein, um nichts auf der Welt!“ rief ich entsetzt.
„Dann erzähle es lieber nicht“, sagte Papa.
Wenn du wüßtest, wie oft ich an das Gespräch gedacht habe! Eigentlich habe ich einen ganz klugen Vater, findest du nicht auch?
Ja, selbstverständlich war es eine furchtbare Enttäuschung, dies mit unseren so rasch zerstörten Illusionen. Für Heiko noch schlimmer als für mich. Denn in seine Enttäuschung mischen sich viele Prozent Selbstvorwürfe. Daß er nicht auf den Gedanken gekommen ist, zu untersuchen, welche Möglichkeiten es in Afrika gibt! Daß er nicht längst irgendwo hingeschrieben und gefragt hat, was man tun könne und was man wissen und können muß, um dort eine Beschäftigung in einem Nationalpark zu kriegen! Er hat nur gelernt, gelernt, gelernt, hat unwahrscheinlich große Opfer gebracht, hat geschuftet, ist unbeschreiblich genügsam gewesen, hat alles aus seinem Dasein weggelassen, was andere junge Menschen als Selbstverständlichkeiten betrachten. Nie Ausgehen, nie ein Theater oder ein Kino, kaum Zeitunglesen!! Nie Dinge gekauft, die sonst die meisten haben - ein Kofferradio, einen Plattenspieler, ein Moped, geschweige denn ein Auto - keine Ferien gemacht, immer nur gelernt, gelernt!
Aber eine gute Seite hat die ganze traurige Geschichte: Sie gab mir den entscheidenden Beweis für das, was Du mich damals im Herbst fragtest, weißt Du es noch? Ich kann mir ein Leben ohne Afrika und mit Heiko denken, aber das Umgekehrte - nein! Nein, Nein! Natürlich hoffe ich von ganzem Herzen, daß er ein Stipendium kriegen wird oder - was ich noch intensiver hoffe - daß er die Gelegenheit bekommen wird, mit einem richtigen wissenschaftlichen Forscherteam für längere Zeit hinzufahren (mit mir, natürlich, auch ein Forscherteam braucht jemanden, der kochen kann, Knöpfe annähen, Schürfwunden verbinden und Wäsche waschen) - , ob es nun wäre, um die Länge der Impalahörner mit der Schwanzlänge der Giraffen zu vergleichen oder die Kindererziehung der Mangusten zu
studieren, oder die Perlen der Perlhühner zu zählen!
Nun ja. Abwarten und Tee trinken, es bleibt uns nichts anderes übrig. Und Geld sparen! Heiko verdient ja jetzt gut, aber der Himmel weiß, daß er sich keine großen Sprünge leistet! Jeden Monat eine anständige Summe auf die Bank gebracht, was natürlich richtig ist -aber - ach, Beatemutti, dies sage ich nur Dir: Ich liebe Heiko von ganzem Herzen, und wir sind so glücklich zusammen, aber wenn er nur ab und zu, ganz, ganz selten, ein Blümchen mitbringen würde oder wenn er ab und zu fragen würde: „Wollen wir nicht ins Kino gehen“ oder: „Heut essen wir auswärts“, aber nein. Er ist eisern und bleibt eisern! Ich glaube nicht, daß es ihm so sehr viel ausmacht, er kennt es nicht anders. Aber für mich ist es eine Umstellung, eine gewaltige Umstellung. Dies sage ich Dir ruhig, denn wenn ich es nicht sagte, würdest Du es doch wissen, Du immer Alles wissende! Besser, daß ich es offen zugebe. Und letzten Endes geht es ja auch, alles ist ein Übergang. Je sparsamer wir leben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir uns ganz privat eine Reise nach unserem Traumland leisten können, falls alle anderen Pläne schiefgehen sollten.
Wenn auch so eine Sammelreise nicht grade unseren Wünschen entspricht, unsere Leben, all unsere Kräfte, all unser Können für das Erhalten der Natur und der Tierwelt einzusetzen.
Schade, verdammt schade, daß ein Mann mit Heikos Wissen und vielseitiger Ausbildung und brennenden Wünschen nicht ans Ziel kommt.
Nun ja. Wir sind noch jung. Kommt Zeit, kommt Rat.
Ich habe schon Heiko vorgeschlagen, er soll sich schwarz anmalen und sich als Afrikaner um eine Stelle bewerben!
Wie du siehst, habe ich trotz allem nicht meine ganze gute Laune eingebüßt, auch nicht meine Fähigkeit, Unsinn zu reden!
Das Schreibmaschinengeklapper hat aufgehört. Bald wird er erscheinen und nach Abendbrot fragen. Wenn ich nur Brot und Margarine auf den Tisch stellte, würde er es ohne Kommentar essen, lieb und freundlich. Ich könnte ihm Hafergrütze mit Magermilch oder
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