Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Flugzeug gechartert worden, und was für eins! Es war ein Transportflugzeug, ohne jeglichen Komfort. Ein großer, leerer Raum mit zwei Sitzreihen in der Längsrichtung, das war alles.
Aber eigentlich war es ganz angenehm. Wir konnten die Beine viel besser ausstrecken als in den gewöhnlichen Passagiermaschinen, und wir konnten - und durften - während des Fluges rumspazieren, bald links und bald rechts gucken. Plötzlich hatten wir alle - glaube ich - ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die, die sonst schweigsam waren, wurden gesprächig, es wurde gelacht, es wurden Erinnerungen aus diesen Tagen hervorgeholt. Eifrige Fragen kreuzten sich, die Reisetagebücher wurden rausgeholt. „Wie hieß noch der Aussichtspunkt in Hongkong?“ - „Mit welcher Maschine flogen wir nach Port Moresby?“ - „Ach, Frau Werner, wie hießen doch die bunten Vögel, die Sie knipsten da am - am - wo war es nun gleich.“ - „Mrs. Stone, was sagten Sie über das Erdbeben, wir hätten einen noch schlimmeren Stoß erleben können? Sie wußten ja so gut Bescheid - Sie haben wohl viel über Neuguinea gelesen?“ „Nein“, sagte Mrs. Stone. „Nicht besonders viel.“
„Meine Frau hat Geologie studiert“, sagte Mr. Stone. „Nicht, Darling, das ist doch kein Geheimnis?“
„Oh, bewahre, nein.“ Sie zuckte die Achseln.
„Steine studieren, das paßt ja gut, wenn man Stone heißt“, lächelte Mrs. Henderson.
Und wenn man hart wie ein Stein ist, dachte ich.
Wir harten Lunchpakete mit und aßen im Flugzeug. Draußen strahlte die Sonne auf das blaue Wasser. Drinnen in unserem ulkigen, fliegenden Verkehrsmittel ging es lebhaft zu. Mr. Nicol erhielt die hartgekochten Eier aus Mrs. Connors Paket, dafür bekam sie seine Kekse. Tante Helene bekam meine Tomatenbrote und ich ihr Schinkenbrot. Und ich kriegte von allen Seiten Salz- und PfefferPackungen und Zuckerstücke, nachdem ich erzählt hatte, daß ich sie für meinen kleinen Bruder sammelte. Er gab enorm an damit, wenn er bei Schulausflügen seinen Freßsack aufmachte.
„Wie alt ist denn Ihr Bruder?“ fragte Miß Smith Nr. 1.
„Elf. Und meine kleine Schwester ist sieben.“
„Ach, so junge Geschwister haben Sie?“
„Ich habe noch mehr! Wir sind sechs Geschwister. Die beiden jüngsten sind übrigens eigentlich meine Halbgeschwister und werden von uns älteren so sagenhaft verhätschelt, daß meine armen Eltern ihre liebe Not haben, den beiden ein Minimum an Vernunft und Benehmen beizubringen.“
„Dann haben Sie einen Stiefvater?“
Erstaunlicherweise kam die Frage von Mrs. Stone.
„Nein, Stiefmutter. Sie ist nur zwölf Jahre älter als ich. Sie ist die liebste und beste Mutter auf der Welt!“ fügte ich hinzu. So wie ich immer sage, wenn von Beatemutti die Rede ist.
„Wie schön, wenn man sich mit einer Stiefmutter gut versteht“, sagte Mrs. Connor.
„Verstehen ist gar kein Wort!“ erklärte ich eifrig. „Wir lieben sie alle, und wir waren alle aus dem Häuschen vor Freude, als sie ihr erstes Kind bekam.“
„Aber.“, es war wieder Mrs. Stone, die sprach. Und ihre Stimme war gedämpft und sehr ruhig - beinahe hätte ich gesagt, angestrengt ruhig. „Ihre Stiefmutter wird doch wohl ihren eigenen Kindern anders gegenüber empfinden als.“
„. als uns großen Stiefkindern gegenüber? Nein, wir sind alle ganz gleich für sie, dafür lege ich meine Hand ins Feuer! Ich werde ihr übrigens einen kleinen Opalschmuck in Australien kaufen, da soll es doch so schöne Opale geben?“
Dann ging das Gespräch auf Opale über. Mrs. Stone saß still, sah mich schweigend an. Zuletzt sagte sie: „Ich glaube, ich verstehe etwas von Steinen, Mrs. Brunner. Ich könnte Ihnen vielleicht helfen, einen schönen Stein zu finden, wenn Sie wollen?“
„Das ist reizend von Ihnen“, sagte ich, als ich mein Staunen schnell runtergeschluckt hatte. „Natürlich nehme ich das mit Dank an!“
Ich packte meine Salz-, Zucker- und Pfeffer-Packungen zusammen und legte sie in die Handtasche. Mr. Connor, der mir gegenübersaß, lächelte: „Ich glaube, Sie sind ein glücklicher
Mensch, Mrs. Brunner!“
„Ja“, lächelte ich zurück. „Das bin ich. Ich weiß es selbst und bin immer dankbar dafür!“
„Es muß schwer für Sie gewesen sein, ein so glückliches Elternhaus zu verlassen“, meinte Frau Werner.
„Es war eine Tatsache, die mir dabei sehr half,“ gestand ich. „Nämlich die, daß ich meinen Mann liebe!“
An der Wandtafel leuchteten die Buchstaben auf: „Fasten seat
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