Rywig 10 - Machst Du mit Senta
wie ich es bisher nur in Zoogeschäften gesehen hatte. Da kam noch eins, und noch eins - da ein etwas größeres, ohne Streifen - es war weniger scheu als die kleinen. Ich lief wie der Blitz zurück in unser Appartement und nahm alles mit was ich an Keks- und Brotresten hatte, einen Apfel fand ich auch. Dann rannte ich wieder raus zu den süßen Tierchen. Das große kam ganz nah, zuletzt hat es Apfelstückchen aus meiner Hand genommen. Die kleinen kamen auch näher, so daß Rolf mit Teleobjektiv „formatfüllende Bilder“, wie er sagte, kriegen konnte.
Dieser Tag stand überhaupt im Zeichen der Erdhörnchen! Als die Gruppe, gestärkt durch Obstsäfte und ,hot cakes’, zurückkam, starteten wir per Bus zu einem Tagesausflug in den ,Yoho Nationalpark’. Nach meinen Afrikaerfahrungen stellte ich mir immer ein Tierparadies in jedem Nationalpark vor, aber das stimmte hier nicht! Die süßen Hörnchen sahen wir in Hülle und Fülle, groß und klein, gestreift und nicht gestreift, aber dabei blieb es.
„Vielleicht kriegen wir in Jasper Biber zu sehen“, tröstete uns Herr Weiden. „Und in Alaska, in dem großen Mount-McKinley-Reservat gibt es Karibus, Bären, Schneeziegen und Elche. Aber es gibt ja schließlich auch andere Sehenswürdigkeiten als Tiere!“
Da hatte er recht. Dieser Tag bot uns eine Reihe von Schönheitsoffenbarungen! Tiefe Canyons, brausende Wasserfälle, Pause an einem wunderbaren, intensiv grünen See, der den sehr passenden Namen ,Emerald-Lake’ - der ,Smaragdsee’ - trug. Die Filmkameras surrten, die Fotoapparate machten klick-klick, und die Ausrufe der Begeisterung hörten nicht auf.
Was mich auch sehr beeindruckte, war diese unbeschreibliche Weite, die meilenlangen, unbewohnten Strecken - das Land war so groß, man hatte so viel Platz, so viel Luft!
„Hier könnte man es ein paar Jahre aushalten“, meinte ich. „Weit weg von Hochhäusern und Supermärkten und Autoverkehr und Luftverschmutzung! “
Ich war auf dem besten Wege, mich einfach in die kanadische Natur zu verlieben, so wie Sonja sich damals in Afrika verliebt hatte!
„Solch ein Haus möchte ich eigentlich mit nach Deutschland nehmen“, sagte Herr Felber. Wir fuhren gerade an einer kleinen Siedlung vorbei, eine Siedlung, die aus ganz gleichen Häusern bestand. Hübsch und sauber waren sie, und sahen ganz geräumig aus, aber alle hatten eine längliche, schmale Form, wie große Eisenbahnwaggons!
Und tatsächlich - sie standen auf Rädern! Es waren Häuser zum Mitnehmen!
Herr Weiden erzählte, daß man spezielle Trecker für diese Häuser hat. Wenn eine Familie umzieht, braucht sie nur einen Trecker zu bestellen, und das Haus wird dann zum neuen Wohnort transportiert, mit dem ganzen Mobiliar drin!
An einem besonders schönen Aussichtspunkt hielten wir wieder an. Da sahen wir einen anderen Bus, und eine Reisegesellschaft stand knipsend und filmend und voll Begeisterung am Straßenrand und genoß einen herrlichen Ausblick.
Neben mir bemerkte ich Isabel. Schmal, schweigsam, müde, mit matten Augen.
„Sind Sie müde, Isabel? So ein Tagesausflug mit dem Bus ist anstrengend.“
„Wenn man sich bloß hinlegen könnte“, murmelte Isabel. „Ich bin so furchtbar schläfrig.“
„Aber das können Sie doch! Gehen Sie ganz nach hinten in den Bus, da ist eine durchgehende Bank, legen Sie sich bloß hin!“
„Kann ich das? Ja, dann trolle ich mich zurück und mache es mir bequem.“
In diesem Augenblick kam Frau Franzen mit einer Frage, ob ich ihr helfen könnte, einen neuen Film einzulegen. Das konnte ich, und sah nicht, daß Isabel in den Wagen stieg.
Nun kam der Fahrer des anderen Busses, seine Gesellschaft mußte einsteigen, man hatte es eilig, sie sollten noch am Abend in Jasper sein.
Der Wagen startete, und gleich darauf wurden wir auch gebeten, einzusteigen. Herr Weiden zählte seine Schäfchen, blieb ratlos stehen, zählte noch einmal.
Bevor er etwas sagen konnte, rief Frau Lander: „Wo ist Isabel? Sie wollte doch zurück in den Bus.“
Ich warf einen Blick nach hinten. Die Bank war leer. Isabel war nirgens zu sehen.
Herr Weiden rannte raus, guckte die Böschung runter, rief, und suchte die Böschung mit den Augen ab. Keine Isabel.
Da kam mir ein furchtbarer Gedanke: „Wenn sie bloß nicht in den verkehrten Bus gestiegen ist!“
„Aber das müßten die anderen Fahrgäste doch gesehen haben!“ meinte Frau Lander.
„Nein - Isabel wollte sich auf die Bank ganz hinten hinlegen, sie wollte schlafen. und in
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