Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
so grausig gewesen, am liebsten wären sie weggegangen, aber sie saßen auf der Mitte der Bank und konnten nicht raus. Aber hingehen tun die Leute und tragen dazu bei, daß es weitergeht mit diesen unbeschreiblichen Tierquälereien! “
Frau Felsdorf sprach schnell und fließend. Dies war etwas, was sie oft gesagt hatte, das war mir klar.
„Ich habe irgendwann gehört, daß die Spanier sich immer mehr für Fußball interessieren“, sagte ich. „Mehr Fußball und weniger Stierkämpfe.“
„Möge es stimmen! Aber sehen Sie, die Spanier haben eine ganz andere Einstellung zum Tier. Sie verstehen uns nicht, wenn wir von Tierquälerei sprechen. Die Spielzeugläden verkaufen Mini-
Banderillos und kleine Toreroanzüge für vier- bis fünfjährige Kinder. Ein Spanier kann am Abend einen Stierkampf besuchen und dabei vor Begeisterung laut jubeln, und am folgenden Morgen kann er fromm in die Kirche gehen und beten, mit dem besten Gewissen der Welt. Dabei lehrt doch die katholische Kirche, daß Tierquälerei eine große Sünde ist. Nein, die Spanier selbst verstehen es nicht. Aber daß die Ausländer, die Touristen aus nördlicheren Ländern diese Scheußlichkeit unterstützen, das macht mich wütend und unglücklich!“
Ich sah Frau Felsdorf an. Ihre Augen waren jung, ihre Stimme hatte eine überzeugende Kraft.
Jetzt nahm sie einen anderen Prospekt vom Tisch.
„Schauen Sie, hier, Spatz! Das sieht aber schön aus!“ Es war ein Prospekt von einem Strandhotel im südlichen Norwegen. Ich las schnell den Werbetext: „Norwegen bietet nicht nur tiefe Fjorde, hohe Berge und Mitternachtssonne. Auch für die, die am Meer einen erholsamen, ruhigen Urlaub verbringen möchten, hat Norwegen viel zu bieten. Fahren Sie nach Südnorwegen, genießen Sie das milde Klima, die liebliche Natur, die weißen Badestrände.“ Und so weiter.
Dann natürlich Fotos vom Hotel, mit schönen Zimmern, geschmackvollen Aufenthaltsräumen, mit Tennisplatz, Minigolf und allem was dazugehört.
„Wenn es bloß nicht die Schwierigkeit mit der Sprache gäbe!“ seufzte Frau Felsdorf. „Ich bin einmal in Skandinavien gewesen, und Sie ahnen nicht, was für furchtbar schwierige Sprachen sie da haben!“
„Doch, das ahne ich“, lächelte ich. „Ich spreche selbst eine davon fließend. Nicht Norwegisch, sondern Schwedisch. Damit kommt man auch in Norwegen gut zurecht.“
„Was? Sie sprechen Schwedisch? Aber Spatz, das ist ja großartig. Dann fahren wir nach Norwegen. Wir gehen gleich morgen ins Reisebüro!“
Ich guckte auf die Uhr. Es war schon halb zehn. Frau Felsdorf ging zu dieser Zeit immer schlafen.
Ich wollte sie daran erinnern, aber da sprach sie: „Wollen wir nicht Abendbrot essen, Spatz?“
„Das haben wir doch hinter uns, Frau Felsdorf, wir tranken schon um sieben Uhr unseren Tee.“
„Was? Haben wir schon? Ach ja, ich bin eben alt und vergeßlich.“
„Haben Sie vielleicht noch Hunger? Soll ich Ihnen ein paar Kekse geben?“
„Sie sind aber lieb, Spatz. Ja, legen Sie die Kekse hin, die esse ich dann im Bett.“
Ich wurde etwas aufgehalten. Das Telefon klingelte, es war Hanni, die sich zum Mittagessen am folgenden Tag anmeldete. Dann mußte ich in die Speisekammer, um eine neue Keksdose zu holen, und als ich endlich die Kekse ins Schlafzimmer brachte, schlief Frau Felsdorf fest. Ich stellte das Tellerchen auf den Nachttisch, blieb einen Augenblick stehen und betrachtete die Schlafende. Sie lag so unendlich friedlich da, um ihren Mund lag ein ganz kleines Lächeln, und die Wangen waren rosig wie bei einem schlafenden Kind. Es stieg ein Gefühl der Zärtlichkeit in mir auf, ich empfand eine Güte für dieses liebe, alte Menschenkind. Es war ein Gefühl, das ich aus der Zeit bei Momo so gut kannte.
Ich zupfte vorsichtig das Federbett ein bißchen zurecht, machte das Licht aus und ging lautlos aus dem Zimmer.
Dann rief ich Mutti an und erzählte, daß ich demnächst mit meiner kleinen Brötchengeberin nach Norwegen fahren würde. „Hoffentlich geht alles gut“, war Muttis Kommentar.
„Warum sollte es nicht gutgehen?“ sagte ich. „Du wirst lachen, Mutti, aber weißt du, ich freue mich auf die Reise. Ja eben, auf eine Reise mit der kleinen verkalkten Omi Felsdorf!“
„Du bist eine komische kleine Nudel, Alli“, schmunzelte Mutti am anderen Ende der Leitung. „Nun ja, wir besprechen alles weiter, wenn du am Sonntag herkommst.“
„Dann gute Nacht, Muttchen, grüß Vati und schlaf gut.“
„Danke, gleichfalls, mein
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