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Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin

Titel: Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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verwelkt. Das von mir bezogene Babykörbchen stand im elterlichen Schlafzimmer, auf der Wäscheleine hing ständig Babywäsche, im Badezimmer befanden sich Babybadewanne und Wickeltisch. Kurz gesagt, das ganze Haus war von dem Vorhandensein eines neugeborenen Kindes geprägt.
    Unser Tagesrhythmus hatte sich geändert. Wir mußten unsere Eßzeiten nach denen des Goldkindes richten, das heißt, nach den Stillzeiten. Vorläufig bekam er nur Muttermilch und gedieh wunderbar dabei.
    An einem schönen, sommerwarmen Nachmittag saßen Katrin und ich auf der Terrasse, und sie legte das Kind an. Es trank gierig, und ich saß da und freute mich über den schönen Anblick - diese glückliche Ruhe, die vollkommene Harmonie, Katrins strahlende Augen, wenn sie ihr Söhnchen ansah.
    „Weißt du, Katrin“, sagte ich, „ich sitze hier und denke an etwas, was die alte Frau Felsdorf mir einmal erzählte, in einem ihrer klaren Augenblicke.“
    „Anscheinend etwas, was mit Säuglingen zu tun hatte“, sagte Katrin mit einem kleinen Lächeln. „Dann interessiert es mich! Worum ging es?“
    Dann erzählte ich Katrin von dem Gespräch damals. Aus irgendeinem Grund war das Wort „Muttermilch“ gefallen, und das brachte Frau Felsdorf dazu, sich zu erinnern.
    Sie erzählte, daß sie, als ihr erstes Kind geboren wurde, einen Kampf mit ihrer Schwiegermutter auszukämpfen hatte. Ganz einfach, weil sie ihr Kind stillen wollte. Das gehörte sich nicht für eine „feine Dame“, meinte die Schwiegermutter. Selbst hatte sie immer Ammen für ihre Kinder gehabt, und sie möchte doch die Schwiegertochter dringend bitten, dasselbe zu tun. Ja, es war so weit gegangen, daß die Schwiegermutter eine geeignete Amme ausfindig gemacht und sie ins Haus der damals jungen Frau Felsdorf geschickt hatte.
    „Ist sie denn mit Pauken und Trompeten rausgeschmissen worden?“ fragte Katrin.
    „Nein, im Gegenteil. Frau Felsdorf hat lange mit dem Mädchen gesprochen - es war nicht verheiratet - und hatte sie gefragt, was sie denn mit ihrem eigenen Kind machen wolle. Dann bekam das Mädchen feuchte Augen, und ihr Mund zitterte als sie erzählte, das Kind sei bei Verwandten auf dem Lande, wurde mit Kuhmilch ernährt - damals hatte man nicht die wissenschaftlich ausgeklügelten Babynahrungsmittel wie heute - und sie, die junge Mutter, war gezwungen, Geld zu verdienen und wußte keinen anderen Ausweg als diesen. Dann würde sie ja ein Dach über den Kopf haben, und das Essen und noch etwas Gehalt. Dann hat Frau Felsdorf ihr gesagt: ,Nun fahren Sie bloß los und holen Ihr Baby, Sie können hier als Stubenmädchen arbeiten, und Ihr Kind bei sich haben und es pflegen und stillen. Ich habe Milch für mein eigenes Kind, und Ihr Kind soll die Milch haben, die ihm zusteht. So hat der liebe Gott es gewollt, und so wollen wir es auch machen!’“
    „Mein Respekt!“ sagte Katrin. „Sie ist ein guter Mensch, deine alte Frau Felsdorf. Nur möchte ich wissen, was die feine Schwiegermutter dazu sagte?“
    „Das möchte ich auch, aber das hat Frau Felsdorf nicht erzählt. Jedenfalls blieb das Mädchen zwei Jahre bei ihr - mit Kind! - , dann hat es geheiratet und sein Leben kam sozusagen auf das richtige Gleis. Du weißt, damals war es ein Unglück für eine unverheiratete Frau, ein Kind zu kriegen. Es war eine Schande und eine Sünde.“ „So war es hier auch“, nickte Katrin. „Weißt du, ich habe ein Buch gelesen, eine Autobiographie von einer Frau, die über ihre Reisen und ihre Erlebnisse erzählt. Ja, das liegt wohl etwa vierzig Jahre zurück, ich fand das Buch im Bücherschrank meines Vaters. Und diese Verfasserin erzählte von einer Gemeindeschwester, die darum gebeten wurde, ein uneheliches Kind zur Taufe zu tragen. Weißt du, was das Biest antwortete? ,Es ist mir immer eine Freude, ein Kind bei der heiligen Taufe vor Gottes Antlitz zu tragen, aber ein Kind, das in Sünde empfangen wurde, trage ich nicht!’“
    „Gibt es wirklich so was!“ rief ich entsetzt.
    „Das gab es jedenfalls damals. Aber, Allegra, kannst du das begreifen: Die sogenannten feinen Damen’, die so moralisch waren, daß sie ein solches Mädchen gnadenlos verurteilten, die von Sünde und Unglück sprachen - sie holten gerade ein solches Mädchen als Amme für das eigene Kind! Sie ließen sich Medikamente geben, damit die Milchproduktion zurückging, und überließen ihr Kind einer ,sündigen’ Frau, die ihr eigenes Kind verlassen mußte! Gott, was haben die Menschen durch die Zeiten alles an

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