Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
einem ganz altmodischen Offner, und jetzt versuche ich, dieses Biest hier heilzumachen.“
„Und dazu sitzt du auf der Erde?“
„Klug durch Erfahrung!“ erklärte Katrin. „Wenn ich die losen
Schrauben auf die Erde lege, können sie nicht weiter runterfallen, was sie von einem Tisch mit tödlicher Sicherheit tun. Deswegen auch das weiße Tuch, damit ich sie sehen kann. Mensch, sieht es hier drin aus, eine retrospektive Ausstellung von Anjas Dosen vom letzten halben Jahr - kein Wunder, daß das Ding streikt, so voll wie es ist - Tomatenmark und Sardinenöl, da ist etwas Marmelade, hier ist Fett, sicher von einer Corned-beef-Dose - Allegra, lauf doch rein und frage Anja, ob sie Benzin hat und einen ganz dünnen Lappen.“
Katrin hatte so flinke, geschickte Finger, sie hantierte mit Schraubenzieher und Zangen unheimlich sicher. „Sag mal, du bist wohl auch ein halber Elektriker?“ fragte ich. „Ja, und zur Hälfte Spielzeugreparateur“, lachte Katrin. „So was macht viel mehr Spaß als Nähen und Stricken. So, nun wollen wir mal sehen - nur ein paar Tröpfchen Öl hier rein, dann müßte das blöde Ding doch funktionieren!“
Sie stand auf, bat mich auf das Kind aufzupassen und ging ins Haus. Da hörte ich durch die offene Tür Gelächter, dann das regelmäßige Surren von einem Elektrogerät.
„Allegra!“ rief Katrin von der Küche. „Gibst du mir bitte den kleinen Schraubenzieher, er liegt auf dem Tuch!“
Ich brachte den Schraubenzieher - es war der Griff einer Stielpfanne, der locker war - , bewunderte den jetzt tadellos arbeitenden Dosenöffner und ging wieder raus zu meinen Aufpasserpflichten.
Na, es wäre wohl besser, das Kind jetzt rein ins Haus zu tragen. Ich machte zwei Schritte - und dann erlebte ich das, was man mit den Worten „das Blut erstarrte mir in den Adern“ auszudrücken pflegt.
Über der Kante der Baby-Tragetasche bewegte sich etwas. Etwas Langes, Schlankes - ein gleitender Körper, etwas Bräunliches mit einem deutlichen schwarzen Zickzackstreifen auf dem Rücken.
Ich öffnete den Mund, aber es kam kein Schrei. Ich konnte es nicht. Aber dann - ich glaube, es war keine Sekunde vergangen -stürzte ich zum Kind, meine rechte Hand faßte um etwas Glattes, sich Windendes - ich riß es weg, weg vom Kind - ich wollte wieder schreien, es wurde nur ein Gurgeln, ein Stöhnen daraus - und von dem Augenblick an setzte mein Gedächtnis aus.
Was in den nächsten zwei Minuten geschah, weiß ich nur aus Katrins und Anjas Erzählung. Sie hatten das merkwürdige Stöhnen gehört, rannten raus und fanden mich, schneeweiß im Gesicht, mit
starrem Blick, die Hand fest um den Schlangenkörper gepreßt.
Anja riß das Kind an sich, und Katrin rief: „Laß los, Allegra! Laß sofort los!“
Ich fühlte einen Schmerz im Handgelenk, dann fiel die Kreuzotter auf die Erde, und ich tat genau dasselbe.
Als ich zu mir kam, lag ich auf der Couch in Anjas Wohnzimmer. Um meinen rechten Arm war etwas ganz fest gebunden. Neben der Couch kniete Katrin. Sie hatte ihren Mund fest an mein Handgelenk gedrückt und saugte Blut aus einer Wunde. Zwischendurch spuckte sie aus, dann saugte sie weiter.
„Ruhig, Allegra“, sagte Anja, die danebenstand. „Katrin saugt die Wunde aus, das ist ein bewährtes altes Mittel gegen solche Bisse. Lieg nur ganz still, alles ist vorüber.“
„Das Kind“, flüsterte ich. „Dem Kind ist nichts geschehen.“ Katrin ließ meinen Arm los.
„So, jetzt habe ich wohl das meiste von dem Zeug rausgekriegt. Anja, sind die Kinder schon da? Sie müssen auf der Straße aufpassen und Bernt gleich hier reinholen. Und jetzt soll Allegra eine anständige Tasse Kaffee haben. Pulverstark!“
Ich konnte die Tasse nicht halten. Katrin stützte meinen Kopf mit der einen Hand und hielt mir die Tasse mit der anderen.
„Besser jetzt?“
„Ja.“, flüsterte ich.
„Bernt muß gleich kommen. Wir warten zehn Minuten, wenn er bis dann nicht hier ist, fahre ich dich zum Krankenhaus, damit du eine Serumspritze kriegst.“
„Wurde ich gebissen?“
„Ja, denkst du, daß ich dein Blut sauge, weil es mir Spaß macht? Ich bin doch kein Vampir“, lächelte Katrin. Dann strich sie mir über die Stirn. „So, jetzt kriegst du wieder ein bißchen Farbe, das ist fein.“ „Katrin - ist das nicht gefährlich für dich?“
„Von wegen! Ich habe doch das Zeug ausgespuckt und nachher den Mund mit Mundwasser gespült, Andreas wird vielleicht Augen machen, wenn sein teures Mundwasser alle ist. Gott
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