Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin

Titel: Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
brachtest? Als wir am Straßenrand saßen, Du bei Deinem Schokoladenfrühstück, und Du erzähltest mir von Deiner Geburt, von Deinen Großeltern, von der Heirat Deiner Mutter. Du hast eine Menge erzählt, aber ohne mit einem Wort Deine eigenen Gefühle dabei zu erwähnen. Ich weiß nicht, ob Du Dein Schicksal als sehr schwer empfunden hast, ich weiß nicht, ob Du als Kind gelitten hast, weiß nicht, ob Du Dich manchmal auch ganz schrecklich freuen konntest. Für mich ist es so natürlich zu sagen: „Oh, wie war das schön“ oder: „Das hat mir furchtbar leid getan“ -Du sagst überhaupt nichts!
    Ich habe einmal einen sehr guten Spruch gehört, ich glaube sogar, daß er aus der Bibel stammt: „Geteilte Sorgen sind halbe Sorgen, geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Hast Du nie die Erfahrung gemacht?
    Nun, um endlich zu einem Schluß zu kommen: Wenn Du einmal Bedarf hast, Deine Sorgen zu halbieren oder Deine Freuden zu verdoppeln, bin ich immer bereit, beides mit Dir zu teilen. Oder, man kann es so ausdrücken: Wenn Du mal was hast, was Du unbedingt loswerden mußt, kannst Du mich als Mülleimer für die Sorgen und als Schmuckkästchen für Deine Freuden betrachten!
    Ich hoffe, daß Du Dich in Köln wohl fühlst, und daß Deine Arbeit Dir Spaß macht. Mir geht es wie gesagt blendend!
    Recht viele herzliche Grüße schickt Dir
    Allegra
    Ich sprang hoch. Das Telefon klingelte schrill und aufdringlich in die stille Nacht hinein. Mit zitternder Hand nahm ich den Hörer auf, mit zitternder Stimme antwortete ich: „Hier bei Doktor Rywig.“ „Allegra! Warst du noch wach? Allegra, wir haben einen Sohn! Seit einer halben Stunde. Katrin geht es ausgezeichnet, sie läßt herzlich grüßen. Ja, ja, groß und gesund. 3800 Gramm, 52 Zentimeter, er ist ein Prachtkerl! Ich komme bald nach Hause. Allegra, kannst du etwas Eßbares organisieren, ich habe einen Mordshunger. Ich werde nur schnell meine Eltern anrufen und noch einen Blick auf meine Frau und meinen Sohn werfen - hast du gehört? Auf meinen Sohn! Also, tschüs, Allegra, renn in die Küche und schustere etwas für einen hungrigen Vater zusammen!“
    Der Hörer wurde aufgelegt. Ich stand da und lächelte und ahnte selbst nicht, warum ich schnell ein paar Tränen wegwischen mußte.
    Ich „rannte“ nicht gleich in die Küche. Ich ging zurück zu meinem Brief und fügte ein „P.S.“ hinzu:
    P.S. Entschuldige die verunglückte Unterschrift! Das Telefon klingelte! Katrin hat einen Sohn! Bernt war vollkommen aus dem Häuschen vor Freude. Er ist sonst sehr ruhig und beherrscht, aber jetzt platzte die Freude wie eine Explosion aus ihm heraus. Und ich frage mich, ob Du auch bei einer wirklich großen Freude explodieren könntest?
    Ich muß blitzschnell in die Küche!
    Noch einmal viele herzliche Grüße von

    Anderthalb Stunden später saß Bernt, übermüdet und glücklich, in der Küche und aß einen Suppenrest vom Mittag, Butterbrote, Spiegeleier und gezuckerte Johannisbeeren. Zwischen den Bissen sprach er andauernd. O ja, Katrin sei so tapfer gewesen, und alles war normal verlaufen, und er, Bernt, hatte seinen Vater aus tiefstem Schlaf geweckt, und Beate sei auch an den Apparat gekommen, und sie würden beide zur Taufe nach Klein-Eschenheim kommen.
    „Wie soll der Kleine nun heißen?“ fragte ich in einer kurzen Pause, als Bernt gerade den Mund voll Spiegelei hatte. Bis jetzt war ich kaum zu Wort gekommen.
    „Sven Gerhard Rössler Rywig. Nach den beiden Großvätern! Ach ja, richtig, ich muß ja Sonja anrufen.“
    „Deine Schwester in England?“
    „Ja, falls sie nicht zufällig auf Galapagos oder auf dem Südpol das Tierleben studiert oder auf der Chinesischen Mauer rumtänzelt. Bei der kann man nie wissen. Aber sie muß das Familien-Taufkleid schicken, ihr Beatchen war das letzte Kind, das es anhatte.“ Schon war Bernt unterwegs zum Telefon.
    „Einen Augenblick, Bernt“, sagte ich. „Es ist ein Uhr nachts, glaubst du nicht, daß das Taufkleid auch dann rechtzeitig ankommt, wenn du bis morgen früh wartest? Außerdem hat deine Schwester es bestimmt nicht mit auf dem Südpol oder auf der Chinesischen Mauer.“
    Bernt lachte.
    „Ausnahmsweise hast du recht. Dann muß sie eben ein paar Stunden auf die freudige Nachricht warten, daß sie die Tante des achten Weltwunders geworden ist!“

Stärker als die Angst
    Die große Glückwunschwelle hatte sich gelegt. Die Telegramme lagen säuberlich geordnet in einem Schub, die meisten der Gratulationsblumen waren

Weitere Kostenlose Bücher