S - Spur Der Angst
erstaunt.
»Ist denn nicht jeder Mensch ein Sünder?«, fragte Flannagan zurück und lachte schnaubend. Trents Augen wanderten zu dem Jagdmesser an Flannagans Seite. Ein seltsames Accessoire für einen Mann, der mit jugendlichen Straftätern arbeitete, doch es war Teil von Flannagans Persönlichkeit und unerlässlich, wenn man mit Nutztieren zu tun hatte.
Als Flannagan die Leiter zum Heuboden hinaufkletterte, blickte Trent auf die Eichendielen, auf denen Andrew Prescott gelegen hatte, zusammengekrümmt und bewusstlos. Obwohl die Stelle gereinigt worden war, hatte das alte, rissige Holz das Blut aufgesaugt, so dass ein rostroter Fleck zurückgeblieben war. Ein Stück entfernt war ein kleinerer Fleck zu sehen, der, der ausgesehen hatte wie eine zweite Blutpfütze oder eine Schliere. Einer der Detectives hatte ihn fotografiert und Proben genommen, um untersuchen zu lassen, ob das Blut von Nona Vickers oder Drew Prescott stammte, wenn nicht gar von einer dritten Person.
»Achtung!«, rief Flannagan, ehe er von oben mehrere Heuballen durch die Öffnung fallen ließ. Dann schwang er sich selbst hindurch, landete auf dem Fußboden und schnitt, ein Knie auf einen der Ballen gedrückt, mit seinem Messer den Strick durch, der das gepresste Heu zusammenhielt.
Vor Trents innerem Auge erschien ein Bild von Flannagan, wie er über Prescott auf dem Fußboden kniete und mit dem blitzenden Jagdmesser fuchtelte.
Aber Andrew war nicht erstochen worden.
»Was ist?«, fragte Flannagan und griff nach einer Heugabel, die an einem Haken an der Wand hing. »Das macht Ihnen ganz schön zu schaffen, oder?« Er deutete mit den Zinken auf den Blutfleck neben dem verstreuten Heu.
»Ja, ein bisschen.«
»Ich hab versucht, es wegzuwaschen, aber der verdammte Fleck ist hartnäckig. Blut lässt sich nur schwer entfernen«, erklärte Flannagan, als hätte er Erfahrung damit, Flecken wie diesen zu beseitigen. Er füllte Heu in die Futtertröge. Die Pferde scharrten mit den Hufen und schnaubten, während sie die Schnauzen in das lockere, trockene Gras steckten.
»Ich finde, es wäre respektlos, einfach so zu tun, als wäre der Fleck gar nicht da«, befand Trent und fing an, die Getreiderationen abzumessen.
»Das Leben geht weiter«, sagte Flannagan und ließ sein hartes Lächeln aufblitzen. »Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hoffe wirklich, dass der Junge überlebt. Und ich hoffe, dass Sheriff O’Donnell den Mörder schnappt. Trotzdem muss ich mich um die Tiere kümmern, sie füttern, die Ställe sauber halten und noch dazu die Jugendlichen unterrichten. Ich habe keine Zeit, mir wegen ein bisschen Blut Gedanken zu machen. Davon hab ich im Leben schon genug gesehen, das dürfen Sie mir glauben. Wir können nicht ändern, was geschehen ist, sondern nur hoffen, dass es nie wieder geschieht.«
Endlich stimmten sie mal in einer Sache überein, dachte Trent, während Flannagan die Heugabel zurück an ihren Haken hängte und sich auf den Weg zur Scheune machte.
Als sich die Stalltür hinter ihm geschlossen hatte, betrachtete Trent noch einmal stirnrunzelnd den verblassten Blutfleck und stieg dann die Leiter zum Heuboden empor. Ein vertrautes Prickeln überfiel ihn, das unheimliche Gefühl, das er schon in der Nacht verspürt hatte, in der Nona Vickers ums Leben gekommen war. Er blickte hinauf zu den Dachbalken und dachte an ihren herabbaumelnden nackten Leichnam. Wenn die Wände hier reden könnten …
Trent kroch zu der Heuhöhle, wo der Schlafsack und die Kleiderstapel der beiden gelegen hatten. Die Außenwand aus Heuballen war abgetragen worden, einzelne Ballen und loses Heu zeugten von den Tätigkeiten der Spurensicherung. Es war kalt hier oben, das kleine Rundfenster stand wie immer einen Spaltbreit offen. Er überlegte, ob er es schließen sollte, doch dann dachte er an die Eule, die in den Dachsparren nistete, und ließ es bleiben.
Den Blick auf den Ort geheftet, an dem so Entsetzliches geschehen war, zog er sein Handy aus der Tasche und rief einen der Detectives an, die er gestern kennengelernt hatte. Er wurde an Ned Jalinskys Anrufbeantworter weitergeleitet, also versuchte er es bei Tori Baines.
»Hier Baines«, meldete sie sich mit gesenkter, leicht gereizter Stimme, als wäre sie zu beschäftigt zum Telefonieren.
»Cooper Trent. Ich rufe aus Blue Rock an. Wir sind uns gestern am Tatort begegnet. Sheriff O’Donnell hat mich heute Morgen angerufen, er hat mich deputiert.«
»Ja, das habe ich gehört.« Sie klang nicht gerade
Weitere Kostenlose Bücher