S - Spur Der Angst
Bogenschießen, Reiten, Yoga bis hin zum Windsurfen.
Auch Reverend Lynch ist sehr sportlich. Als passionierter Boxer glaubt er an die positive Wirkung körperlicher Ertüchtigung und daran, dass Körper und Geist Gottesgeschenke sind. Jedem Schüler wird beigebracht, auf beides zu achten.«
Womit sie wieder bei dem guten, alten Reverend waren. Charla schien wirklich völlig vernarrt in ihn zu sein.
Sie gingen an mehreren Schülergruppen vorüber, die damit beschäftigt waren, die Wege freizuräumen, und Charla winkte einem großen Mann zu, der eine Thermojagdmütze mit Ohrenklappen trug. »Hi, Joe!« Mit seinen über eins neunzig war er gebaut wie der Lineman einer professionellen Footballmannschaft. »Das ist Joe Ingersoll, unser Hausmeister.«
Ingersoll blickte auf und nickte ihnen zu, ohne sich dabei zu unterbrechen, drei vor ihm stehenden CBs Anweisungen zu erteilen. Jules kannte die drei bislang nur vom Sehen.
Charla schlug sich eine behandschuhte Hand vor den Mund. »Wir haben doch von Ethan Slade gesprochen … Er ist der, der neben Joe steht.« Sie deutete auf einen ernst dreinblickenden Jungen. Jules nahm sich vor, sich mit ihm zu unterhalten.
»Die anderen beiden sind Roberto Ortega und Kaci Donahue.«
»Kennen Sie alle Schüler mit Namen?«, erkundigte sich Jules.
»Selbstverständlich. Manche der CBs werden von Joe instruiert, bevor sie zusammen mit den ihnen unterstellten Schülern auf dem Gelände oder in den Gebäuden ihre Aufgaben erledigen.«
»Sind die CBs auch für die Sicherheit auf dem Campus zuständig?«, fragte Jules.
»Ja, doch natürlich unter Aufsicht.«
»Unter wessen Aufsicht?«
»Wir beschäftigen Sicherheitspersonal wie den Posten am Wachhaus, aber wenn Sie ein Problem haben, sollten Sie sich an Bert Flannagan oder Kirk Spurrier wenden. Ursprünglich war Flannagan allein verantwortlich, bis eine unserer Collaboratorinnen verschwand«, sagte sie nervös. »Seitdem arbeiten er und Spurrier im Team.«
»Sie meinen Lauren Conway«, stellte Jules fest, die eine Gelegenheit sah, dieses Thema anzuschneiden. »Ich habe gelesen, dass sie spurlos verschwunden ist.«
Charla erstarrte wieder. »Dazu gibt es jede Menge Spekulationen, ich weiß. Wenn Sie mich fragen, ist sie schlicht und einfach abgehauen. Die Presse versucht natürlich, das Ganze so zu drehen, als sei ihr etwas Schlimmes zugestoßen, und obwohl ich das nicht ausschließen kann, habe ich sie doch als echte Manipulantin kennengelernt. Kommt hierher und fleht nahezu darum, in unser CB-Programm aufgenommen zu werden, um so ihre Collegeausbildung zu finanzieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte Sie gar nicht erst genommen und wusste von Anfang an, dass sie nichts als Scherereien machen würde.«
»Sie vermuten, sie hatte einen anderen Grund, hier zu sein?«
»Das kann ich natürlich nicht beweisen. Aber irgendetwas an der ganzen Situation kam mir nicht ganz richtig vor.« Als wäre ihr erneut klargeworden, dass sie zu viel ausplauderte, machte Charla eine schwungvolle Geste Richtung Verwaltungsgebäude und wechselte gekonnt das Thema. »Da sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer kleinen Tour. Wenn Sie Kaffee, Tee oder heiße Schokolade möchten: Die gibt es den ganzen Tag über in der Cafeteria. Und sollten Ihnen noch irgendwelche Fragen einfallen, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Der Reverend bat mich übrigens, Sie daran zu erinnern, dass heute Abend ein Treffen in seinem Büro in der Kirche ansteht. Um neunzehn Uhr.«
»Das möchte ich um nichts auf der Welt verpassen«, sagte Jules, darum bemüht, nicht sarkastisch zu klingen.
Als Charla King die verschneiten Stufen zum Verwaltungsgebäude hinaufeilte, fragte sie sich, in welcher Beziehung die Sekretärin zu ihrem Chef stand. Offensichtlich hegte sie keine sonderlich freundlichen Gefühle für Cora Sue Stanton-Lynch; Jules meinte sogar, einen Funken Eifersucht bemerkt zu haben. Wegen Cora Sues Vermögen? Oder weil sie mit Reverend Tobias Lynch verheiratet war?
Den Kopf gesenkt gegen den starken Wind, marschierte Jules über den Campus zurück zum Stanton House. Es fiel ihr schwer, sich den Prediger als Mann vorzustellen, aber was wusste sie schon? Bevor sie die Haustür aufsperrte, warf sie einen schnellen Blick über die Schulter, um festzustellen, ob jemand sie beobachtete oder gar verfolgt hatte, dann schloss sie auf, trat ein – und fragte sich, was Trent heute wohl machen würde.
Hör auf damit.
Egal wie sehr er dich einst fasziniert hat, es
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