S - Spur Der Angst
ihr das Herz stehengeblieben.
Lynch hatte nicht abgesperrt, als er zornig aus dem Büro gestürmt war.
Er hat das Sicherheitsschloss offen gelassen, aber das normale Schloss ist eingerastet.
Auch wenn sich die Tür nicht gleich öffnen ließ, wagte sie kaum zu atmen. Was, wenn sie einen Schlüssel hatten? Was sollte sie sagen, wenn man sie hier fand? Wie die verbrannten Seiten in dem Messingträger erklären?
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich lautlos Richtung Toilette zurückzog. Sie stieß mit dem Oberschenkel gegen die Ecke von Lynchs Schreibtisch und biss sich auf die Zunge, um nicht laut aufzuschreien.
»Riechen Sie den Rauch?«, fragte Takasumi.
»Ständig«, erwiderte Taggert. »Lynch macht jeden Tag ein Feuer, bei jedem Wetter.«
»Kaufen Sie dem Mädchen die Geschichte ab? Dass es in den Pavillon gegangen ist, um zu meditieren?«, fragte Takasumi.
»Ich weiß nicht. Es wirkte verwirrt.«
»Seltsam, wenn Sie mich fragen, aber sind sie das nicht alle? Leben in einer Fantasiewelt. Ich meine, das ist doch echt gestört, mitten in einem verdammten Schneesturm in einem offenen Pavillon zu sitzen und sich ein Gummiband gegen das Handgelenk zu schnalzen! Was macht denn das für einen Sinn?«
»Maeve hat Probleme, wir sollten es dabei belassen.«
Wow, was für ein toller Therapeut. Was dachte sich Taggert dabei, mit einem CB über eine seiner Schülerinnen zu sprechen, die noch dazu bei ihm in psychologischer Beratung war?
Jules lehnte sich gerade in dem Augenblick aufatmend gegen ein Waschbecken, als heftig an der Toilettentür gerüttelt wurde.
»Hier ist ebenfalls abgeschlossen?«, wunderte sich Takasumi. »Das sollte aber nicht so sein, oder?«
Jules spürte, wie ihre Knie weich wurden.
»Ach, was soll’s. Vermutlich war sie fertig mit ihren Gebeten und ist längst wieder zu Hause.«
Mit »sie« war zweifelsohne Jules gemeint.
Hoffentlich machten sie sich nicht auf den Weg zum Stanton House, um sich zu vergewissern, dass sie sicher angekommen war!
Jules wartete, die Ohren gespitzt. Schritte entfernten sich, endlich. Am Ende des Gangs schlug eine Tür zu. Da sie nicht wusste, welche Richtung die Männer einschlagen würden, zur Vorder- oder zur Hintertür hinaus, wartete sie noch eine Weile lang ab. Die Sekunden dehnten sich zu Minuten.
Als sie es nicht länger aushalten konnte, schloss sie vorsichtig die Tür auf. Der Gang war leer und fast dunkel, das einzige Licht kam von der Nachtbeleuchtung in der Kirche. Voller Angst, jeden Augenblick erwischt zu werden, schleppte Jules den Metallträger mit den glimmenden Papieren durch den Gang und zur Hintertür.
Dort angekommen, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel, dann trat sie hinaus in die eisige Nacht.
Kapitel dreiunddreißig
I ch hab doch gewusst, dass sie nichts als Schwierigkeiten machen wird«, sagte seine rechte Hand und warf ihm ein Handy zu, das im Licht der Laterne glänzte.
Der Anführer fing das Telefon in der Luft auf und steckte es in die Tasche seiner Skijacke. »Ich habe den PIN-Code geknackt. War ’ne Kleinigkeit.«
Großspuriger Scheißkerl. »Ich werde es überprüfen.«
»Geben Sie mir einfach Bescheid«, beharrte sein Untergebener. »Ich bin bereit. Wir sind bereit. Wir werden tun, was immer Sie wollen.«
Das war schon besser. »Bald.« Sie hatten einen Plan, doch den würden sie ändern müssen, sollte sich Julia Farentino als ernsthaftes Problem entpuppen. Und sein Untergebener hatte recht – die Lage geriet außer Kontrolle. »Du wirst mir niemals abtrünnig werden?«
»Niemals«, versicherte der Jugendliche, aber in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, als würde er die Dinge liebend gern selbst in die Hand nehmen …
»Vertrauen Sie mir.« Er lächelte, seine Zähne blitzten weiß im Laternenlicht, dann verschwand er in der Dunkelheit hinter einem dichten Vorhang aus Schnee. Ob er log? Sich meisterhaft verstellte? Und wenn nicht er, wer dann? Irgendjemand spielte definitiv nach eigenen Regeln.
Der Anführer musste nur herausfinden, wer ihn hinterging.
Er fühlte sich rastlos in dieser Nacht, vor allem in Bezug auf das, was vor ihm lag, was er zu entscheiden hatte. Bei dieser Aussicht verspürte er ein erwartungsvolles Kribbeln, doch auch Sorge.
So wie die Schneeflocken wehten, wehte auch ein frischer Wind, ein Wind, den er unter Kontrolle bringen musste. Stimmte es, was seine rechte Hand behauptete? Liefen die Probleme tatsächlich bei Julia Farentino zusammen, oder war alles noch ganz
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