S - Spur Der Angst
gut!«, beharrte Shay. »Hol mich hier raus. Ruf Edie an und sag ihr, dass sie einen Fehler gemacht hat. Wenn sie nichts unternimmt, wende dich an Dad. Sag Max, dass ich einen Rechtsanwalt brauche, der eine Alternative für mich aushandelt –«
»Dafür ist es vermutlich zu spät.« Einer der Reifen des Volvo traf auf einen dicken Stein in der ausgefahrenen Straße, den sie unter der Schneedecke nicht hatte erkennen können. Der Wagen geriet ins Holpern, was das Pochen in Jules’ Schädel noch verstärkte. Sie fasste das Lenkrad wieder fester.
»Auch nicht, wenn irgendein Irrer Schüler umbringt?«
»Keine Ahnung, aber wir werden es herausfinden. Hör mal, ich bin jetzt fast da.«
»Wie bitte?«, flüsterte Shay. » Wo bist du?« Dann, nach einer Pause, fügte sie hinzu: »Hier? In …« Der Rest ihrer Worte ging in Rauschen unter.
»Ich bin auf dem Weg zur Schule.«
»Was? Zur Blue Rock Academy? Aber ich –«
Die Verbindung war nun so schlecht, dass Jules kaum noch etwas verstehen konnte.
»Shay? Kannst du mich hören?«, rief sie daher.
»Was?«, ertönte Shays Stimme, die jetzt wieder deutlich zu verstehen war. »Wovon redest du eigentlich?«
»Ich bin gleich an der Schule, aber lass bitte nicht meine Deckung auffliegen, ja?«
»Was zum Teufel meinst du damit? Was für eine Deckung?«
Jules’ Reifen gerieten auf dem vereisten Untergrund ins Rutschen. Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren und nicht gegenzulenken.
»Blue Rock hat mich als Lehrerin eingestellt. Ich werde in etwa einer Stunde da sein, vermutlich sogar noch früher.«
»Hier?«
Nein, bitte nicht schon wieder dieses verdammte Rauschen. »Verflucht!« Am liebsten hätte sie ihr Handy aus dem Fenster geschleudert.
»Du nimmst mich auf den Arm, oder? Du hast doch nie und nimmer einen Job hier angenommen! Komm schon, Jules, sag mir, dass das ein schlechter Scherz ist.«
»Das ist kein Witz.«
»Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Hör zu: Du sollst mich hier rausholen, und zwar schnell! Die Detectives haben mich verhört, weil ich die Letzte bin, die Nona lebend gesehen hat … Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet. Bin ich jetzt eine Verdächtige?«
»Warum solltest du?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht weil sie meine Zimmergenossin war. Ich sage dir, das Ganze ist total unheimlich!«
»Wieso kannst du mich eigentlich anrufen? Ich dachte, es wäre verboten zu telefonieren!« Jules versuchte, die Heizung höherzustellen. Ihr wurde bewusst, dass sie seit Ewigkeiten keinem anderen Fahrzeug begegnet war. Wie abgeschieden lag Blue Rock eigentlich?
»Das Handy gehört Nona. Keine Ahnung, wie sie da drangekommen ist, vielleicht hat sie es hier auf dem Schwarzmarkt gekauft. Es ist ein ganz gewöhnliches Prepaidhandy … ich hab’s ihr gestern Abend geklaut.«
»Du hast was? « Jules’ Gedanken rasten. Das wurde ja immer schlimmer!
»Ich habe gesehen, wie sie es in ihre Jackentasche gesteckt hat. In einem unbeobachteten Moment habe ich es mir geangelt, um dich anrufen zu können.«
»Mein Gott, Shay! Du musst es zurückgeben! Der Polizei aushändigen, damit die Ermittler die Anruflisten durchgehen und feststellen können, mit wem sie telefoniert hat.«
»Ich dachte, du willst nicht, dass deine Deckung auffliegt. Deine Nummer wird ebenfalls erscheinen, schließlich habe ich dich angerufen. Das wird nicht unbedingt dazu beitragen, dass du zur Lehrerin des Monats gewählt wirst!«
»Es gibt keinen Grund, sarkastisch zu werden.«
»Ich habe keine Zeit, mir Sorgen wegen des verdammten Telefons zu machen«, bemerkte Shay bissig. »Ich muss jetzt Schluss machen. Außerdem kann ich dich sowieso kaum noch verstehen. Die Detectives sprechen noch mit ein paar von den Lehrern, doch sie werden bald wieder da sein. Du musst mich hier rausholen, Jules!« Shay klang mehr als verzweifelt, eher so, als wäre sie halb verrückt vor Angst.
Was durchaus verständlich war. Immerhin war ihre Zimmergenossin ums Leben gekommen.
»Nun hör mir zu! Ich will dich doch da rausholen, Shay, aber ich brauche ein bisschen Zeit, und du solltest dich besser wie eine Vorzeigeschülerin verhalten, okay?«
»Natürlich. Wie immer.«
»Wenn ich herausfinden kann, was da vorgeht, wenn ich beweisen kann, dass Angestellte der Schule fahrlässig handeln oder gar kriminell sind oder was auch immer, sollst du nicht anschließend im Gefängnis landen. Also mach bitte keinen Ärger, während ich da bin.«
Ȁrger? Davon habe ich doch jetzt schon mehr als genug! Ich bin
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