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S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)

S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)

Titel: S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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fallen, er würde mich treffen. Patrick geht und ich rutsche ein wenig zur Seite, weg vom Fernseher.
    Nun bin ich alleine mit Herrn Heim. Er wirkt immer noch zurückhaltend, abwartend. Ich bedanke mich bei ihm dafür, dass er bei meinem Projekt mitmacht und erkläre kurz, worum es mir geht. Herr Heim hört zu, stellt aber keine Fragen. Er vermeidet es, mir in die Augen zu sehen.
    Als eine Pause eintritt, lehnt er sich langsam nach vorne – die Bewegung scheint ihm Mühe zu machen – und zieht unter dem Wohnzimmertisch einen großen, fleckigen Karton hervor. Aus dem Karton nimmt er mehrere Brettspiele und legt sie auf den Wohnzimmertisch. Er sei gerade dabei gewesen, das zu sortieren, so Herr Heim, deshalb habe er auch nicht gleich aufgemacht. Er erklärt mir, dass er diese Spiele sammelt und dass einige viel wert sind. Er finde sie auf Flohmärkten. Zwei kenne ich sogar: „Risiko“ und „Spitz pass auf“. Andere sind älter als ich, die Packungen gelb, aufgequollen und stockfleckig. Einige würden vom Beginn des letzten Jahrhunderts stammen. Auch aus der Nazizeit sind einige dabei, unschwer an Symbolik und Spielinhalt zu erkennen. Das Ziel eines dieser Nazi-Spiele ist die Eroberung Europas. Ich frage halb im Scherz, ob man bei diesem Spiel auch verlieren kann. Aber mein Gegenüber reagiert nicht auf die Frage. Noch etwa eine halbe Stunde zeigt mir Herr Heim seine Sammlung, ab und zu stelle ich Fragen und irgendwann habe ich den Eindruck, dass er etwas auftaut. Er schaut mir öfter in die Augen, ein paar Mal lacht er leise oder lächelt in sich hinein. Irgendwann beginnt Herr Heim, mir von seinen Erlebnissen in der Bibliothek zu erzählen. Ich höre zu, bitte ihn dann aber, vor dem Interview noch nicht zu viel zu verraten und packe mein Tonbandgerät aus.
     
    Herr Heim räumt seine Spiele zurück und schiebt den Karton unter den Wohnzimmertisch, das Interview kann beginnen. Während unseres Gesprächs wirkt Herr Heim immer wieder zögerlich, unsicher. Oft sucht er nach Worten oder verfällt mitten im Satz plötzlich in Schweigen. Erst gegen Ende des Interviews erzählt er flüssiger, davor läuft es zäh.
    So, wie ich das Interview im Folgenden wiedergebe, ist es etwas „lesbarer“ gemacht. Es sind nicht alle Pausen, „Ähms“ und Abbrüche darin enthalten.
     
    [Beginn der Aufnahme]
     
    I: Okay, Band läuft, wir können eigentlich anfangen.
     
    R: Gut ähm, Sie interessieren sich ja für die Bibliothek und ... ich will vielleicht erst sagen dass ich nicht immer in dieser Lage war ... also dass ich Flaschen einsammle, das ist erst seit ein paar Jahren ... äh...
     
    I: Mhm ja, machen ja viele, also Flaschen einsammeln...
     
    R: Ja, das ist eben seitdem das Pfand kam ... äh, ich wollte eben sagen: Ich habe schon länger Alkoholprobleme und durch das Trinken ist es eben so gekommen, also ähm Job weg und Frau weg und dann macht man keine Briefe mehr auf und trinkt eben noch mehr, um sich abzuschließen. Und ... ich hab auch eine Tochter, die ist sechzehn.
     
    I: Mm ja.
     
    R: Also damit Sie nicht denken ähm ... ich bin gelernter Dachdecker und hatte früher auch ein normales Leben und ... also damit Sie nicht denken, ich bin einfach ein komischer äh ... also jemand, der komisches Zeug erzählt.
     
    I: Mm, ja klar ... ähm, es macht auch nichts, wenn das, was Sie erzählen, erst mal ungewöhnlich klingt. Also ich hab ja schon Einiges gehört, also auch sehr Ungewöhnliches.
     
    R: Ja ... [atmet tief ein] Sie haben ja schon mit anderen Leuten gesprochen und ähm, ich weiß nicht ob das dem entspricht äh ... also was die erzählt haben und was ich...
     
    I: Sie können ja einfach mal erzählen ... einfach so, wie Sie das erlebt haben.
     
    R: Ja gut, also ähm ich bin jetzt seit vielleicht drei Jahren in der Bibliothek und sammle eben Flaschen ein und ... äh mittlerweile kennt man mich auch und ich bekomme eigentlich keinen Ärger und ... es gibt auch Leute, die dann mir ihre Flaschen geben oder die stehen lassen und ähm...
     
    I: Also schon Stammkundschaft.
     
    R: Ja ähm (lacht leise) kann man fast so sagen.
     
    I: Wie lang sind Sie dann in der Bibliothek, also den ganzen Tag, oder...
     
    R: Das ist unterschiedlich, es ist ja nicht immer viel los. Aber es kann schon sein dass ich an einem Tag so meine zehn Runden mache, also zehn Mal durch.
     
    I: Das ist eigentlich ne ganz schöne Strecke-
     
    R: Ja äh ... das sind sicher einige Kilometer.
     
    I: Und da haben Sie etwas Seltsames

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