Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
Vom Netzwerk:
Zweifel. Sie trägt Jeans und einen rosa Anorak, dazu einen passenden kuscheligen Schal. Sie hat rosige Wangen und noch den gleichen Schopf roter Locken, deren Farbe sich mit ihrer Kleidung beißt. Obwohl sie knapp hundert Meter weit weg steht, bin ich mir ganz sicher. Vermutlich hat sie schon eine ganze Weile in meine Richtung geblickt. Unser Grinsen überbrückt die dreißig bis vierzig Schritte, die jede von uns zurücklegen muss, die Räder des Kinderwagens knistern auf dem nassen Boden, die Lücke zwischen uns schließt sich.
    Auf einmal strecken wir unbeholfen die Hände nacheinander aus, so wie es Menschen tun, die sich mal sehr vertraut waren. Wir rufen uns beim Namen und lachen. Wie früher. In diesem Moment ist alles wieder da.
    »Beth? Meine Güte! Du bist es wirklich!«
    »Ja, ich bin’s. Hallo, Sal. Hallo, Kinder. Du hast es ja ganz schön eilig gehabt!«
    »Mensch, du siehst toll aus! Total elegant. Ich hab schon von dort drüben gedacht, dass du es bist, aber du warst wohl in Gedanken, wie immer. Ich war mir nicht sicher, ob du mich erkennst, wegen der Kinder und so.«
    In Wirklichkeit meint sie wohl, dass sie nicht wusste, ob ich zurückgrüßen würde. Schließlich liegen zehn Jahre und ein Quantensprung zwischen meinem jetzigen und meinem früheren Ich.
    »Jetzt red keinen Quatsch, du dumme Kuh! Natürlich wusste ich, dass du das bist! Ich war gerade auf dem Weg zu meinen Eltern, und da dachte ich, dass ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr hier oben war …«
    »Und da wolltest du unserem alten Revier mal wieder einen Besuch abstatten«, nickt sie verständnisvoll. »Hier hat sich gar nichts verändert, stimmt’s?«
    Ich weiche ihr aus. »Und wen haben wir da?« Ich gehe in die Knie, um das stämmige kleine Mädchen zu begrüßen, das sich an Sals Bein klammert und die gleichen roten Locken hat.
    »Das ist Lauren«, stellt Sal vor und setzt sich das kleine Mädchen auf die Hüfte. »Und das ist Catherine. Und das hier«, gurrt sie in den Kinderwagen, »ist Elizabeth.«
    »Schöner Name.«
    »Ja, auch mein zweiter Vorname.«
    »Ich weiß. Bist du noch mit Darren …?«
    »Klar. Er arbeitet jetzt für die Gemeinde. IT . Ich selbst hab immer noch keine Ahnung von dem Kram.«
    Wir lächeln uns ungezwungen an. Ich traue mich nicht zu fragen, ob sie immer noch Cello spielt. Ob sie wohl je Arbeit als Musiklehrerin gefunden hat?
    »Und was treibst du jetzt so?« Diese Frage erscheint mir neutral genug.
    »Mit den dreien bleibt mir leider nicht mehr viel Zeit für mich. Mein Referendariat habe ich noch angefangen. Du weißt ja sicher noch, dass ich Musik unterrichten wollte? Aber dann kam Catherine … Aber dich hab ich in der Zeitung gesehen! Du hast es echt zu was gebracht, Beth. Ich wusste, dass du es schaffst. Du hast uns alle hinter dir gelassen, genau wie ich es immer vorhergesagt habe. Übrigens, mir hat da neulich jemand von dieser neuen Internetplattform erzählt, Facebook. Das ist diese Website, auf der man ein bisschen was von sich selbst ins Netz stellen und nach alten Schulfreunden suchen kann. Da sind echt viele Leute angemeldet. Ich hab mir gedacht, dass ich mich vielleicht auch dort anmelde, wenn Darren mir zeigt, wie es geht. Vielleicht wäre es mal an der Zeit für ein Klassentreffen, meinst du nicht? Zehn Jahre! Mein Gott, du siehst nicht einen Tag älter aus. Hast du deine Seele dem Teufel verkauft, oder was? Oder hängt bei deiner Mutter ein Gemälde auf dem Dachboden, das an deiner statt altert? Ich frage mich, wie die anderen so aussehen. Dicker wahrscheinlich. Die meisten sind natürlich sowieso in der Gegend geblieben, aber ich meine Leute wie dich …« Sie bricht ab, als ihr einfällt, dass es davon nicht viele gibt.
    Ich lächle sie an und schüttele leicht den Kopf. »Ich glaube nicht, Sal. Ich wüsste gar nicht, was ich mit den Leuten reden sollte.«
    »Nein, du hast ja recht. Hat wohl wenig Sinn. Sollen wir ein Stück zusammen gehen? Viel zu kalt, um hier herumzustehen.«
    Wir gehen also los, und sie erzählt von den Kindern und fragt mich über die Zeitung aus und will wissen, ob ich einen Freund habe, und berichtet, wie es den Leuten von früher ergangen ist: Lucy Fisher hat drei Kinder bekommen, von denen eins schon elf ist, Tony Nichols sitzt wegen Autodiebstahls im Gefängnis, Dan Andrews ist vor vier Jahren an einer Überdosis gestorben, Nadine Baker arbeitet im Süßwarenladen, Susan Earland führt die Bäckerei, Darren Davies unterrichtet Erdkunde an der Gesamtschule,

Weitere Kostenlose Bücher