Saat der Lüge
arbeitet. Er ist erst ein halbes Dutzend Mal mit ihr ausgegangen, aber einmal hat er sie schon mitgebracht. Sie macht einen netten Eindruck, hat schöne Augen und sieht leicht asiatisch aus. Sie ist sieben Jahre jünger als er und steht anscheinend auf Drum’n’Bass.
Wir werden Musik aus alten Zeiten auflegen, was ihr sicher nicht ganz so gefallen wird, und später wahrscheinlich auf dem akkurat gemähten Grasviereck tanzen, das fast als Rasen durchgeht. Wir werden uns nicht besonders viel Mühe geben, die Nachbarn zu schonen.
Niemand wird die Narben an Coras Handgelenken bemerken, geschweige denn erwähnen, während sie ein weiteres Mal die Frikadellen und Würstchen wendet und der Wein in einem nicht enden wollenden Strom vom Kühlschrank in unsere Gläser fließt. Sie wird viel Aufhebens darum machen, dass sie selbst wegen des Babys tugendhaft Enthaltsamkeit übt, wegen des neuen Lebens, das jenes andere, ausgelöschte Leben vergessen machen wird. Sie wird über ihre Füße klagen und darüber, dass sie einen geblümten »Sack« tragen muss, auch wenn es ihr in Wirklichkeit nicht das Geringste ausmacht. Eigentümlicherweise scheint ihr dieser Sack besser zu stehen als alles, was sie je zuvor getragen hat.
Sie wird kochen, und Mike wird vielleicht sogar singen, wenn man ihm gut zuredet. David wird mit einstimmen. Er mag Mike, die beiden verstehen sich. Und wir werden viel lachen und an früher zurückdenken. Stevie wird Fotos machen, die nie in Alben geklebt werden. Bei schönem Wetter wird es ein angenehmer Abend werden.
Vielleicht kann man sich seine Freunde eben doch nicht aussuchen.
Manchmal denke ich, wenn ich könnte, würde ich mich über diesem Garten in die Lüfte erheben und hoch über den gedrungenen Dächern der Stadt kreisen und über den Straßen, die sich bis zu den aufragenden Hügeln winden. Ich würde Hunderte gepflegte und weniger gepflegte Gärten sehen, Dutzende von Grillpartys wie diese. Wer weiß, welche Geschichten sich dahinter verbergen?
Und wenn ich doch versuchen würde, David meine Geschichte zu erzählen? Wie würde ich anfangen? Vor gar nicht allzu langer Zeit, an einem Ort, der gar nicht so weit weg ist, wie du denkst, gab es einmal vier Freunde, zwei Mädchen und zwei Jungen, die sich sehr liebten – so gut sie es eben verstanden. Einige dieser Freunde liebten mehr als die anderen, mehr als alles auf der Welt, auch wenn es ihnen damals noch nicht klar war. Und einige liebten weniger. Einer der Freunde wurde angebetet, und zwei konnten nur davon träumen.
Und an diesem Punkt müsste ich spätestens verstummen. Deshalb würde es nicht funktionieren. Weil ich mir auch nach all der Zeit immer noch nicht sicher bin, wer von uns wer ist.
Besser, es auf diese Weise zu beenden.
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