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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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frustriert in die Ecke wirft und dann doch wieder hervorholt. Quälend vertrackt und unmöglich zu lösen. Aber vielleicht kam mir ja der Zufall zu Hilfe.
    Ein Wort von Cora hätte inzwischen genügt, um den Zusammenhang zwischen dem Tagebuch und dem Brief, den Fingerabdrücken und dem Anfangsbuchstaben und allen anderen Indizien, die die Polizei noch unter Verschluss halten mochte, herzustellen und sie zu einem Pfeil zu ordnen, der geradewegs auf Mike zeigte. Vielleicht sogar zu Recht.
    Ich musste handeln, ein für alle Mal – um zu schützen, was ich mir wünschte und was ich liebte.
    Anfangs spielte ich mit dem Gedanken, Cora irgendwo herunterzustoßen, von einem Bahngleis oder einem Balkon oder einer Galerie, wie der im Einkaufszentrum. Das erschien mir am einfachsten. Aber heutzutage sind ja überall Überwachungskameras installiert, die einen aus dunklen, teilnahmslosen Augen beobachteten, und ich war nicht unbedingt scharf darauf, als ungelöster Fall bei der Sendung Crimewatch zu landen.
    Während ich in der Mittagspause mein Sandwich verdrückte oder auf der Treppe des Gerichtsgebäudes herumtrödelte, dachte ich träge darüber nach, welcher Ort sich für meinen Plan eignen würde. Er musste betriebsam und voller Menschen sein, die mit sich selbst beschäftigt waren und dennoch das ideale Publikum für das Nachspiel abgaben.
    Letztendlich musste ich jeden Ort aus diesem oder jenem Grund wieder verwerfen. Hinzu kam, dass ich keine Ärztin war. Ich hatte keine Ahnung, wie tief ein Sturz sein musste, um tödliche Folgen zu haben. Ich wollte auf keinen Fall, dass Cora als Krüppel oder Märtyrerin überlebte. So ein Monster war ich dann doch nicht. Wenn ich ehrlich war, hatte ich ohnehin Zweifel daran, dass ich im entscheidenden Moment den nötigen Mut aufbringen würde. Schließlich musste ich bis zur allerletzten Minute so normal wie möglich wirken, damit sie keinen Verdacht schöpfte, um ihr dann genau im richtigen Augenblick einen ausreichend heftigen Stoß zu versetzen.
    Und das konnte schwierig werden. Außerdem war sie immer noch meine Freundin, was es mir vielleicht erschweren würde, kühl den exakten Moment und die exakte Wucht des Stoßes zu kalkulieren, die Fallgeschwindigkeit mithilfe von Gewicht und Fallhöhe auszurechnen. Simple Physik.
    Zu aktiv durfte ich dabei nicht vorgehen. Es durfte weder Blut noch Gewalt geben. Und ein Unfall ließ sich nicht so einfach simulieren.
    Ein Einbruch in ihr Haus schied aus, nicht nur, weil Mike dort sein würde, sondern auch, weil ich gar nicht gewusst hätte, wie man so etwas anstellte, ohne die ganze Straße aufzuwecken. Es gab dabei einfach zu viele unbekannte Größen und zu viele Fallstricke.
    Cora musste mir entgegenkommen oder sogar aktiv beteiligt sein – und das natürlich, ohne es zu merken. Der Plan musste möglichst einfach sein, und dazu sauber, ordentlich und unverdächtig, untauglich für pikante Schlagzeilen, zu unauffällig, als dass sich ein Journalist, der sein Aufnahmegerät wert war, dafür interessierte. Dann glaubte ich, genau das Richtige gefunden zu haben.
    Als ich an diesem Abend nach der Arbeit nach Hause kam, trank ich eine Flasche Wein, hörte meine Lieblings- CD und stellte fest, dass ich langsam verrückt wurde. Was war nur in mich gefahren? Hatte ich wirklich das Undenkbare gedacht? Was war los mit mir? Ich konnte das nicht tun. Wie hatte ich auch nur darüber nachdenken können?
    Ich musste einen Rückzieher machen und mir eine neue Perspektive suchen. Aber die fand ich nicht in der Stadt. Also tat ich, was ich immer tue, wenn meine Festplatte heißläuft. Ich meldete mich krank, erzählte dem Arschloch, dass ich Frauenbeschwerden hatte, und verbrachte einen ganzen Tag damit, alte Filme zu schauen, Tee zu trinken, Toast zu essen und mein Gehirn herunterzukühlen, indem ich mit niemandem sprach und an nichts dachte.
    Dann beschloss ich, nach Hause zu fahren. In mein richtiges Zuhause. Zurück in die walisischen Täler. Zurück zu mir selbst. Dort gab es einen Ort, an den ich immer schon gegangen war, wenn ich eine Entscheidung zu treffen hatte. Wenn ich wirklich nachdenken musste. Ich machte mich also auf den Weg.

Zeitreise
    D er gleiche Weg wie immer: Man biegt in Porth ins Tal ab, und dann geht es fast sofort wieder bergauf. Die geplante Entlastungsstraße hat noch nicht ihre Ranken aus Asphalt und glänzendem Metall von Nord nach Süd ausgestreckt, und die alte Straße wird schnell schmaler und schlechter, was die Leute

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