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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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prominenten westwalisischen Ratsmitglied und späteren Parlamentsabgeordneten. Jeder wusste es, und er wusste, dass jeder es wusste. Es war die einzige Wolke an seinem »Haltet-die-Titelseite-frei«-Horizont. Aber reden konnte der Mann. Und das tat er gerne und viel.
    »Du schickst jetzt sofort den verdammten Fotografen hin!«, brüllte er mit sichtlichem Vergnügen und unterstrich den Satz mit einer wahren Speichelexplosion.
    Da es sich um ein Handy handelte – noch dazu um ein sehr kleines –, konnte er nicht den Hörer aufknallen, aber er ließ es demonstrativ zuschnappen und lungerte vor meinem Schreibtisch herum, bis ich mich wieder aufgerichtet hatte.
    »Lizzy, dich brauche ich!«, rief er dröhnend und pflanzte sich aggressiv auf die Schreibtischkante, wobei er die Schrittpartie zwischen den gespreizten Beinen in die Luft reckte. In seiner größenwahnsinnigen, mit Spucke geölten Hoch-Dezibel-Welt war ich so etwas wie »sein Mädchen für besondere Fälle«. Meine Gleichgültigkeit, meine Verächtlichkeit und meine unverhohlene Unhöflichkeit waren für ihn nichts als Koketterie, befeuert von meiner ganz offensichtlich unterdrückten sexuellen Energie. Wie gesagt, er war ein echtes Arschloch. Ich wartete nur darauf, dass er mich begrapschte oder Annäherungsversuche im Pub machte, um ihn ans Kreuz zu nageln.
    »Wie strahlend schön du heute wieder bist, Lizzy«, grölte er, obwohl er weniger als einen Meter entfernt auf meiner Schreibtischkante hockte und grinsend mit einem Fax wedelte. »Hübsches Blüschen. Ich hab hier den idealen Fall für dich, ist eben von den Flachwichsern aus der Polizeipressestelle reingekommen. Die haben ein junges Mädchen aus dem Fluss geangelt. Die übliche Kacke, aber zurzeit ist so wenig los, dass wir dringend etwas brauchen, um die ersten paar Seiten aufzumöbeln. Ich wette, da lässt sich irgendeine bewegende Hintergrundstory basteln, wenn schon sonst nichts. Ein Rentner hat sie gefunden, so ein alter Trottel, der seinen Corgi ausgeführt hat, wie immer. Aber wenn er auch nur halbwegs zurechnungsfähig ist, kann er deinen blauen Augen bestimmt nicht widerstehen und verrät dir alle schmutzigen Details.«
    Ich seufzte hörbar. Er ignorierte den Seufzer. »Und versuch, bei deinem Schätzchen von der Hauptwache ihren Namen in Erfahrung zu bringen, wenn du kannst. Offiziell identifiziert ist sie bestimmt noch nicht, ich wette, ihr Gesicht ist ein einziger Brei. Aber sobald wir wissen, wer sie ist, nehmen wir uns die Familie vor, ja? Versuch, ein schönes Foto aufzutreiben, ja? Wenn sie hübsch ist, machen wir die Seite drei damit auf. Und wenn sie eine Schreckschraube ist, drucken wir eben kein Foto. Wenn es eine Sexgeschichte ist, irgendwas Perverses, Undurchsichtiges, kommt es auf die Titelseite, ja? Du kannst das. Die Leute erzählen dir alles. Besorg mir was Schlüpfriges, Baby, damit wir richtig absahnen können.«
    Ich starrte ihn mit unverhohlener Abscheu an. Nicht nur wegen der Anzahl an Klischees, die er gerade in seine Rede gepackt hatte, sondern auch wegen der Gefühllosigkeit, die daraus sprach. Ich pflückte ihm das Fax aus der pummeligen Hand, überflog es und fragte so gelangweilt wie möglich: »Welcher Stadtteil?« Ich gab Owain nur ungern das Gefühl, dass mich das, was er für eine heiße Story hielt, auch nur im Entferntesten interessierte. Damit versuchte ich sein Urteilsvermögen zu untergraben.
    »Irgendwo flussabwärts vom Stadion – finde es heraus.«
    »Wie alt ist der Opi?«
    »Ungefähr hundert.«
    »Und das Mädchen?«
    »Zwischen zwanzig und dreißig. Mehr haben sie nicht gesagt.«
    »Vergewaltigung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wann vermisst gemeldet?«
    »Nicht den blassesten Schimmer.«
    »Tolle Story, Owain.«
    »Dann häng dich ans Telefon und find’s raus. Hopp, hopp, ich will die Sache um zwei auf dem Tisch haben, dafür bezahl ich dich schließlich!«
    »Nicht annähernd genug, du Wichser«, murmelte ich vor mich hin und schickte ein strahlendes Zahnpasta-Lächeln hinterher. Aber er hatte sich schon umgedreht, um jemand anders mit einer Predigt zu beglücken.
    Ich klemmte mich ans Telefon und hörte mich um, bei der Polizei, der Ambulanz, dem Gemeinderat, sammelte Lokalkolorit, sprach mit Mr Thomas und Princey und schrieb meine Story. Die junge Frau war offiziell noch nicht identifiziert, und bislang hatte niemand ihren Namen veröffentlicht. Ich ging also die nächsten drei Wochen ganz normal meiner Arbeit nach, ohne Lunte zu riechen und ohne

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