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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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allerletzte gewesen. Schließlich hatte er das Ende der Nacht nicht bei uns verbracht.
    Die Polizei bat nun in einer konzertierten Aktion um sachdienliche Hinweise, und vielleicht hatten wir, und damit meine ich mich, Mike, Cora und Stevie, ja welche zu bieten. Aber wollten wir wirklich, dass jemand davon erfuhr? Was für Folgen würde das haben? Ich musste mit Mike sprechen.
    Ich konnte unmöglich warten, bis es sechs Uhr war und ich offiziell den Abgang machen konnte. Mit ungebührlicher Eile arbeitete ich den letzten Stapel Pressemitteilungen ab und verließ die Redaktion um Punkt fünf, nicht ohne dem Arschloch zum Abschied zuzuwinken, der den Mund zum Protest öffnete und vorwurfsvoll ein Bündel Papiere schwenkte.
    Für den Anruf bei Mike verzog ich mich mit dem Handy in eine Nische im eisigen, widerhallenden Treppenhaus, direkt neben der Druckerei, damit die surrenden Maschinen meine Stimme übertönten.
    »Wir müssen reden«, sagte ich. »Jenny. Jenny Morgan. Sie ist tot.« Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
    »Bist du sicher? Bist du sicher, dass sie das ist?«
    »Hol mich von der Arbeit ab.«
    »Was ist mit Cora?«
    »Sag ihr nichts – zumindest nicht, bis wir geredet haben. Wenn die Nachrichten es heute überhaupt noch bringen, dann nicht vor halb elf. Komm einfach her. Sag ihr, du müsstest heute länger arbeiten. Komm sofort in den Pub.« Ich legte auf, bevor er noch etwas einwenden konnte.
    Später fiel mir auf, dass er weder gefragt hatte, um welche Jenny es überhaupt ging, noch auch nur im Geringsten überrascht gewesen war. Ich hatte nicht gesagt: »diese Jenny aus deiner Firma« oder »das Mädchen aus dem Charlie’s«. Natürlich wussten wir beide nur allzu gut, von wem die Rede war. Jenny hatte uns nie wirklich verlassen.
    Ich traf Mike im Prince of Wales um die Ecke. Weil es noch früh und eher leer war, zogen wir uns ins Obergeschoss zurück. Ich kam mir heimlichtuerisch und übertrieben vorsichtig vor, dabei waren wir nur zwei Freunde, die nach der Arbeit noch ein Bier zusammen tranken. Das Prince of Wales ist ein ehemaliges Varietétheater mit gewölbter Decke und kleinen, durch Vorhänge abgetrennten Logen, das ausgerechnet von der alles verschlingenden Wetherspoons-Kette vor dem Abriss bewahrt und in einen ihrer typischen seelenlosen Happy-Hour-Pubs verwandelt worden war. Normalerweise amüsierte diese Tatsache die Zynikerin in mir, aber an diesem Tag wünschte ich mir nur, es gäbe hier eine Jukebox, damit unsere Stimmen in der Musik untergingen.
    »Du bist dir also sicher«, wiederholte Mike, wie er mir da in seinen Büroklamotten gegenübersaß. Seine Miene verdüsterte sich, als er mein Nicken sah.
    »Wie schade.« Er drückte sich vage aus. Bewusst oder unbewusst? Wartete er etwa darauf, dass ich deutlicher wurde?
    »Schade ist ja wohl kaum das richtige Wort. Ist dir klar, was das bedeutet?« Ich wollte, dass er es zur Kenntnis nahm, dass er es aussprach: Das gibt Ärger.
    »Aber die Polizei geht doch gar nicht davon aus, dass an dem Fall etwas faul ist, oder?«, antwortete er nach langem Schweigen. »Sieht doch so aus, als wäre sie einfach in den Fluss gefallen, mehr ist da sicher nicht gewesen. Vielleicht sollten wir der Polizei sagen, was wir wissen. Ich meine, wann wir sie gesehen haben.«
    Innerlich fiel mir die Kinnlade herunter, und ich stellte mir vor, wie mein Mund offen stand und meine Augen groß wie Untertassen wurden. Ich nahm einen Schluck Wein. »Und was weißt du, Mike? Was weißt du, das die Polizei interessieren könnte?«
    »Nichts. Nur dass wir sie im Club gesehen und dann gegen zwölf aus den Augen verloren haben.«
    »Warst du in ihrer Wohnung, Mike?« Die Direktheit und der fordernde Tonfall meiner Frage erschreckten ihn.
    »Nein, natürlich nicht. Das habe ich dir doch damals schon gesagt.«
    »Ich weiß, was du mir gesagt hast. Bist du in ihrer Wohnung gewesen? Das ist kein Spiel mehr. War die Geschichte mit Gabe ein Haufen Scheiße, Mike? Denn wenn es so ist, sagst du es besser jetzt. Keine Lügen mehr.«
    »Nein, ich bin nicht mit ihr nach Hause gegangen.« Seine großen, flehenden Augen ärgerten mich. Ich hatte nicht vor, einen Rückzieher zu machen. Was auch immer er noch vorbrachte, um mich auf seine Seite zu ziehen, das hier war die Gelegenheit, nachzuhaken und die Wahrheit herauszufinden. Ich würde meinen so genannten Beruf als Druckmittel einsetzen und ihn zum Vorwand nehmen, dem Mann meiner Freundin all die Fragen zu stellen, die

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