Saat der Lüge
Welt hast du das nicht einfach gesagt?«
»Ich wollte Stevie nicht mit reinziehen. Du weißt doch, wie Cora ist. Sie hätte ihn ausgefragt, und ihm wäre vielleicht etwas rausgeschlüpft. Wie groß war dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass sie Gabe über den Weg läuft? Außerdem hatte ich ihr schon am Telefon gesagt, dass ich wahrscheinlich dort übernachten würde.«
»Meine Güte.« Ich zog meine Hand weg. »Ich weiß, dass du sie schon vorher kanntest, Mike. Du kennst sie viel besser, als du mir gegenüber zugegeben hast. Sie hat in deiner Firma in Wrexham gearbeitet, verdammt noch mal! Was zur Hölle ist da zwischen euch gelaufen? Hier? Oder in Wrexham? War es eine Affäre? Bist du deshalb hierher gezogen?«
»Nein, um Gottes willen! Stevie hat dir das erzählt, stimmt’s? Ich kannte sie tatsächlich schon aus Wrexham, aber nur oberflächlich. Wir haben uns bei so einer PR -Veranstaltung mit Büfett kennengelernt. Ja, sie war scharf auf mich, aber da war nichts weiter dabei. Einmal hat sie mich gefragt, ob ich mit ihr was trinken gehe, und ich habe Ja gesagt.«
Ich schnaubte. »Und was sollte das?«
»Ich schätze, ich habe mich geschmeichelt gefühlt. Ein bisschen Networking und so. Wir haben einfach nett geplaudert. Aber danach ist sie aufdringlicher geworden, obwohl ich ihr von Anfang an von Cora erzählt habe. Sie wusste, dass ich verheiratet bin. Ich habe sie noch ein- oder zweimal bei Abendveranstaltungen getroffen, und das war’s. Ehrlich. Vor ein paar Monaten bekam sie dann einen Job bei einer Filiale in Cardiff, kurz nachdem wir hierher zurück gezogen waren. Am Anfang hat sie immer wieder einen Vorwand gefunden, zu mir ins Büro zu kommen: Botengänge und solchen Quatsch. Dann hat sie mich gefragt, ob wir zusammen Mittag essen gehen. Ich habe nur Ja gesagt, weil ich gehofft habe, dass sie danach eine Weile Ruhe gibt. Wir sind in ein Restaurant in Canton gegangen, weit ab vom Schuss, und das war auch gut, weil sie mich ganz schön angebaggert hat. Und dann ist sie an dem Abend im Charlie’s aufgetaucht und schnurstracks auf dich und Cora zugelaufen. Davor hat sie immer wieder gesagt, wie gern sie euch beide kennenlernen wollte. Besonders dich, weil du Journalistin bist, und wahrscheinlich auch, weil ich ziemlich viel von dir erzählt habe. Sie wollte auch Journalistin werden oder Autorin. PR war nicht so ihr Ding. Ich glaube, sie fühlte sich hier ein bisschen einsam und wollte Leute kennenlernen. Außerdem fand sie es wahrscheinlich toll, eine echte Journalistin zu treffen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.«
»Besonders energisch hast du sie jedenfalls nicht abgewimmelt, das ist ja wohl offensichtlich. Warum hast du uns nicht einfach von ihr erzählt?«
»Weil Cora in letzter Zeit eine regelrechte Paranoia entwickelt hat, was meine Arbeitskolleginnen betrifft. Ich glaube, Jenny hat vor unserem Umzug ein- oder zweimal bei uns angerufen, und Cora ist drangegangen. Es wurde zwar jedes Mal sofort wieder aufgelegt, aber ich glaube trotzdem, dass sie es war. Als ich mit Jenny Mittag essen war, habe ich Cora erzählt, dass ich mit einem Kollegen essen gehe. Das erschien mir einfacher so. Und an dem Abend im Charlie’s hatte ich Angst, dass Jenny etwas ausplaudert und Cora auf komische Gedanken bringt. Ich wollte einfach, dass sie beschäftigt und zufrieden ist. Cora kann nämlich völlig grundlos eifersüchtig werden. Außerdem hat Jenny versprochen, dass sie mich in Ruhe lässt, wenn ich sie nach Hause bringe. Ich konnte sie doch nicht um diese Zeit dort stehen lassen, oder? Sie war eine Unruhestifterin, das ist alles. Das Wort Nein hat sie einfach nicht akzeptiert.«
»Und du Ärmster konntest nichts dagegen tun? Was für ein Schwachsinn! Du hattest monatelang Zeit, dir eine Ausrede zu überlegen, und das ist alles, was dir einfällt? Für wie blöd hältst du mich? Ich verdiene mein Geld damit, Menschen zu befragen, schon vergessen?«
Ich stand auf und wollte gehen, aber Mike streckte die Hand aus und packte wieder mein Handgelenk, diesmal mit einer Heftigkeit, die ich nicht erwartet hatte. Seine Miene versteinerte sich. Ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
»So ist es aber nicht. Hör zu, ich hätte ihr von Anfang an keine Hoffnungen machen dürfen, das weiß ich. Sie war einfach so jung und begeisterungsfähig, und ja, es hat mir gefallen, dass es sie zu interessieren schien, was ich zu sagen hatte, dass sie mich um Rat gefragt hat. Ich hätte die Sache sofort unterbinden
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