Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
Vom Netzwerk:
uns gegen sie verschwören. Sie ruft ein halbes Dutzend Mal pro Tag im Büro an. Sie trinkt zu Hause Alkohol. Der Arzt hat ihr Tabletten gegeben, aber sie nimmt sie nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Als ich heute um halb sechs nach Hause kam, hatte sie getrunken. Seit Stunden, wie es aussah. Sie ist wieder nicht zur Schule gegangen.« Er zögerte einen Moment, als versuchte er zu entscheiden, ob er noch mehr zu sagen hatte oder nicht.
    Verdammt noch mal, Mike , brüllte eine Stimme in meinem Kopf. Was kann ich dagegen tun? Sie ist deine Frau! , hätte ich am liebsten gesagt. Aber die Worte blieben mir im Mund stecken, und ich starrte über den Tisch zu Mike hinüber, der weiter seinen unaufhaltsamen Monolog abspulte.
    »Sie hat Whiskey getrunken oder so was. Mitten am Tag! Dann haben wir angefangen, uns deswegen zu streiten oder wegen etwas anderem, ich weiß es nicht mehr genau. Und plötzlich fängt sie an zu weinen, und ehe ich michs versehe, hat sie einen Becher nach mir geworfen!« Er hob die Haare an, die ihm in die Stirn hingen, und zeigte mir einen großen roten Striemen, der sich allmählich lila färbte. »Einen Becher, verdammt noch mal! Sie hätte mir das Auge ausschlagen können! Ich ertrage diese Scheiße einfach nicht mehr.«
    Auf meinem unendlich weit entfernten Aussichtspunkt auf der anderen Seite des Couchtischs war ich entsetzt, wenngleich auf seltsame, gleichgültige Weise, aber auch beeindruckt. Das blutige Abzeichen, das Coras neu entdecktem Zorn eine physisch greifbare Form verlieh, übte eine eigenartige Faszination auf mich aus. Sie hatte gut gezielt. Geistesabwesend streckte ich die Hand aus, um mit den Fingern über den Striemen zu fahren. Ich wollte das dunkelviolette Fleisch berühren, wollte die Wunde fühlen, die erste greifbare Wahrheit seit langem. Aber Mike wehrte die Geste ab und packte mit plötzlicher Heftigkeit mein Handgelenk, bevor er sich zusammenriss, tief einatmete und seine Hand auf meine legte.
    »Hörst du mir überhaupt zu, Lizzy?« Er brach ratlos ab und schien den Tränen nahe.
    »War es Tee oder Kaffee?«, erkundigte ich mich. Aus der großen Distanz, mit der mein Verstand unser Gespräch beobachtete, wirkte diese Frage vernünftig.
    »Was?«
    »In dem Becher. Cora trinkt weder Tee noch Kaffee.«
    »Lizzy! Was spielt das denn für eine Rolle? Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll!« Er stieß einen so schweren Seufzer aus, dass er damit das ganze Zimmer zum Wackeln brachte. »Was stimmt nicht mit uns?«
    Mit uns? Was meinst du mit uns? Von der Tatsache einmal abgesehen, dass du ein rückgratloser Passiv-Aggressiver bist, der sich weigert, für irgendetwas die Verantwortung zu übernehmen, ist deine Frau auch noch eine Irre, die dir einen Mord anhängen will, den du, wenn ich so recht darüber nachdenke, tatsächlich begangen haben könntest, während ich vermutlich eine unmoralische Manischdepressive bin, weil ich darüber nachdenke, sie umzubringen. Meintest du das?
    Das waren meine Gedanken, die ich natürlich nicht aussprach. ( Weil ich darüber nachdenke, sie umzubringen? Hatte sich das wirklich in meinen beinahe unterbewussten Gedankenfluss gemogelt? Wo zur Hölle war das hergekommen?)
    »Lizzy? Lizzy, was sollen wir tun?«, flehte Mike.
    In der nächsten Sekunde wurde mir bewusst, dass er meine Hand so schmerzhaft quetschte, als hinge sein Leben davon ab. Auf einmal konnte ich förmlich spüren, wie sich Knochen und Blut seiner Hand langsam mit mir verbanden, wie sie mit mir verschmolzen, mich zurückholten von der anderen Seite der tiefen, trennenden Kluft. Dieser Vorgang faszinierte mich derart, dass ich den Blick nicht von seiner Hand abwenden konnte, von seinem heruntergekauten Daumennagel, den drei Sommersprossen neben dem kleinen Netz aus Falten am Daumenansatz, von seinen kräftigen Fingern.
    Ich konzentrierte mich aufs Atmen und merkte, dass er mich verwirrt anstarrte, während ein Ausdruck von Besorgnis in seine Augen trat.
    Nach mehreren Sekunden sagte ich: »Ich rede mit ihr. Aber nicht heute Abend. Heute kann ich nicht reden. Auch nicht denken. Morgen. Bleib heute Nacht bei Stevie. Aber vorher isst du mit mir zu Abend. Ich habe Pizza und Wein. Ich brauche Wein. Viel Wein.«
    Er nickte.
    Also wurde die Pizza in den Ofen geschoben und der Wein eingegossen, ohne dass wir noch mehr dazu hätten sagen müssen. Während wir vor dem Fernseher aßen und tranken und dabei plauderten, als

Weitere Kostenlose Bücher