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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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haben?«
    »Warum du Schuldgefühle haben solltest? Du verdienst dein Geld mit dem Elend anderer Leute, verwurstest ein totes Mädchen zu einer ›guten Story‹. Du verkaufst jeden einzelnen Tag deine Seele, und das Schlimmste ist: Du weißt es auch noch.«
    »So ist die Welt nun mal, Cora!«, brach es aus mir hervor. »Ich tue nur, was ich tun muss, um nicht darin unterzugehen.«
    »Tun wir das nicht alle?« Eine Weile schien sie in Gedanken versunken.
    »Willst du, dass dein Mann verhaftet wird?«
    »Michael? Nein.« Sie zögerte. »Natürlich nicht.«
    »Willst du, dass ich verhaftet werde? Was ist los mit dir?«
    »Das habe ich mich auch schon gefragt, Lizzy. Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir wirklich zur Polizei gehen. Und alles erzählen.«
    »Was meinst du mit alles? Zum hundertsten Mal: Wir wissen nichts! Wenn du die Tatsache meinst, dass wir sie dort gesehen haben und der verfluchte Stadtstreicher uns einen Strick draus drehen will, musst du verrückt sein! Er weiß doch auch nicht wirklich etwas. Du würdest uns nur alle mit in die Sache hineinziehen. Du würdest dir selbst alles vermasseln, nur weil du diese paranoide Vorstellung hast, dass du Mike nicht trauen kannst.«
    »Natürlich. Dann wäre ja auch für dich alles vermasselt, nicht wahr? Ja, das könnte ziemlich unschön werden, das ist mir jetzt auch klar. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Sie feixte wieder.
    »Mach keine Witze über so was, Cora. Wir hängen alle mit drin. Du reißt dich also besser zusammen und hältst den Mund! Wozu Ärger riskieren?«
    »Sag mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe, Elizabeth. Ich gehe jetzt nach Hause.« Mit dieser knappen Verabschiedung machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte auf einer relativ geraden Linie davon. Ihre Schuhe klapperten über das nasse Straßenpflaster, als sie in der Dunkelheit der Nacht vor Allerheiligen verschwand.
    Da flackerte er auf. Der Gedanke. Der schreckliche Gedanke. Nur für einen Sekundenbruchteil, während ich ihr hinterherblickte. Einer dunklen Nische meiner Seele entsprungen.
    Wenn sie doch nur ausgeraubt würde! Oder von einem Auto angefahren! Wenn ich sie doch nur irgendwie loswerden könnte! Es wäre die Lösung für alle meine Probleme gewesen, oder etwa nicht?
    Ich erschrak über mich selbst. Angewidert von der ungebetenen Grausamkeit dieses Gedankens schluckte ich ihn sofort wieder hinunter und befahl mir, mich am Riemen zu reißen, mir ein Taxi zu nehmen und meinen Rausch auszuschlafen.
    Aber in dieser Nacht fand ich wie so oft in letzter Zeit keinen Schlaf. In die Nische vor dem Schlafzimmerfenster gezwängt saß ich in meiner Wohnung, die gar nicht wirklich meine Wohnung war, weil sie nur gemietet war, und tat so, als würde ich E-Mails checken und noch einmal meinen neuesten Artikel zum Fall Jenny durchgehen. In Wirklichkeit dachte ich darüber nach, was Cora gesagt hatte – und was sie damit gemeint hatte.
    Dabei blickte ich in das hell erleuchtete Innenleben zweier gegenüberliegender Häuser, deren Gärten direkt an meinen grenzten. Jedes von ihnen bildete vor der Dunkelheit der Nacht ein theatralisch ausgeleuchtetes Bühnenbild bei offenem Vorhang.
    Im rechten Haus saß eine Frau mittleren Alters im rosa Velours-Bademantel am Tisch und beugte sich über eins ihrer Puzzles, von denen sie einen schier unerschöpflichen Vorrat zu besitzen schien. Diese Szene strahlte eine tröstliche Vorhersehbarkeit aus, aber auch eine Einsamkeit, die mich traurig machte. Aber vielleicht war die Frau ja auch gar nicht einsam. Vielleicht füllte es sie vollkommen aus, ihre Bilder zusammenzufügen und sich zu freuen, wenn wieder ein Puzzleteil passte.
    Nebenan sammelte ihr Nachbar, dessen Haare sich vorzeitig lichteten, am Ende eines langen Tages die Spielsachen seines Sohnes ein. Manchmal kletterte dieser Sohn mit seinen vier oder fünf Jahren auf einen Kinderstuhl, um sein Abendessen zu verdrücken, oder auf den Schoß seines Vaters, damit der ihm Geschichten erzählte. Dem Mann gehörte ein altes Motorrad. Jedes Wochenende schraubte er in einer baufälligen offenen Garage daran herum, ob es nun regnete oder die Sonne schien. Seine Frau sah ich manchmal draußen die Wäsche aufhängen, wenn der Wind aus der richtigen Richtung wehte, oder bis zu den Ellenbogen im Schaum an der Spüle stehen.
    Es waren normale Menschen mit einem normalen Leben – sicher und gleichmäßig dahinfließend, nur eine Fensterscheibe und ein paar Meter entfernt.
    Mein nur vom

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