Saat der Lüge
zurückgekommen?«
»Du redest sinnloses Zeug«, fuhr ich sie an und knallte die Kühlschranktür zu. Ich war am Ende mit meiner Geduld.
»Das verstehst du nicht. Du verstehst es einfach nicht.«
»Ich verstehe nicht, warum du ihm einen Becher an den Kopf geworfen hast. Wie sollte er deiner Meinung nach darauf reagieren?«
»Deswegen hat er dich gebeten herzukommen?«
»Ja, hat er. Verständlicherweise. Um dich zu beruhigen und zur Vernunft zu bringen. Er kapiert nicht, warum du die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen kannst.«
»Auf sich beruhen? Du lässt sie doch auch nicht auf sich beruhen, oder? Du nutzt sie aus, um Karriere zu machen, verdammt! Dieses ganze Zeug, das du in der Zeitung schreibst, die Tränen, der Herzschmerz, die arme leidende Familie. Für dich hätte es gar nicht besser laufen können, nicht wahr? An uns verschwendest du keinen Gedanken, daran, was es mit uns anstellt, mit mir anstellt!«
»Mit dir hat das doch überhaupt nichts zu tun! Es ist nur eine Story, eine erfundene Story für die Zeitung. Man füllt damit die Seiten, das ist alles, und dieses ganze Herzschmerz-zeug gehört eben dazu. Wenn ich es nicht geschrieben hätte, hätte es ein anderer geschrieben. Das weißt du genau.«
»Schon, aber hätte derjenige es auch nur halb so gut gemacht wie die atemberaubende, unendlich begabte Elizabeth? Für dich ist es die Eintrittskarte zur BBC , nicht wahr? Sag bloß, ich ruiniere dir deinen großen Traum? Ich und meine armselige Ehekrise? Tickt sie so, deine dreckige kleine Fantasie? Es könnte noch viel dreckiger werden, Lizzy, wenn die Leute wüssten, was du getan hast. Dass du diesen Typen dafür bezahlt hast, dass er die Klappe hält. Ich bin nicht so dumm, wie du denkst. Ich bin nicht so naiv und bescheuert. Ich weiß, dass du bis zu deinem hübschen Hals in der Sache mit drinsteckst. Da können dich keine großen blauen Augen der Welt wieder rausholen. Du hast verschwiegen, dass sie in dem Club war, selbst als du schon wusstest, dass sie tot ist. Du hast verschwiegen, dass Mike sie kannte. Du hast dir das Schweigen dieses Mitwissers erkauft. Du hattest recht, als du gesagt hast, dass es weniger darum geht, wie es war, als darum, wie es aussieht. Und, wie sieht es jetzt aus? Nichts zu verbergen? Wie schnell würde sich dein geheiligter BBC -Traum wohl in Luft auflösen, wenn jemand die Katze aus dem Sack ließe und verraten würde, wie viele Lügen du erzählt hast? Und wozu? Warum das alles? Was hast du zu verbergen?«
»Cora«, warnte ich sie, »nimm dich in Acht. Was du da sagst, ist äußerst unklug. Mike ist dein Mann, er ist derjenige, den es am schlimmsten erwischen würde. Willst du wirklich mit dem Finger auf ihn zeigen? Willst du, dass ihn die Polizei eines Verbrechens für schuldig hält, das er nicht begangen hat? Was ich getan habe, habe ich getan, um ihn und dich zu schützen, und wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich ein bisschen mehr Dankbarkeit erwartet.«
Ihre Augen blickten glasig ins Leere, aber ich spürte, wie ihr Zorn unter der Oberfläche brodelte. Während ich mich zu einem harten, scharfkantigen Eiszapfen herunterkühlte, schwoll Cora zu voller Orkangewalt an.
»Dankbarkeit?! Dankbarkeit?! Du hast es nicht für mich getan, Elizabeth. Es ging nie um mich, nicht wahr? Du musst mich wirklich für total bescheuert halten. Das hast du immer schon getan. Aber du irrst dich.«
»Mir kommst du schon ziemlich bescheuert vor, Cora«, sagte ich kaltblütig und gelassen. »Wenn er vorher noch keine Affäre hatte, dann sucht er sich jetzt bestimmt eine. Wer würde das nicht tun?«
Das war grausam von mir, ich weiß.
In diesem Moment passierte es. Es war kein damenhafter Filmklaps, beherrscht und ohne viel Wut dahinter, sondern ein schonungsloser, ungraziöser, voll durchgezogener Hieb mit der Handfläche.
Es dauerte eine Minute, bis ich mich damit abgefunden hatte, dass sie es tatsächlich getan hatte. Jeder Teil meines Körpers war zur Faust geballt. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder zurückschlagen sollte oder beides. Der Moment der Entscheidung dehnte sich aus, es herrschte fassungsloses Schweigen. Cora, deren Wut sich in einer Flut von Tränen auflöste, brach es als Erste.
»Oh Lizzy, es tut mir so leid! Ich weiß nicht, warum ich … ich weiß nicht, was ich mir … Bitte, Lizzy, vergib mir! Es tut mir so wahnsinnig leid.«
Aber ich konnte mich weder bewegen noch etwas entgegnen. Ich merkte, dass ich plötzlich wieder das Brotmesser in der
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