Saat des Feuers
um ihre Tasse. »Er war sofort tot. Der Mörder hatte keine Ahnung, dass ich unter dem Tisch war … dass ich alles mit angesehen hatte.«
Cædmon starrte die gelockte Schönheit an, die ihm gegenübersaß, und widerstand dem Drang, sie an sich zu ziehen und das angstvolle Zittern zu beruhigen, das von ihren Händen auf den gesamten Oberkörper übergriff.
»Wie sind Sie entkommen?«
»Ich bin die Feuertreppe runtergeklettert und habe mich in der Gasse versteckt. Da sah ich, wie der Killer mit einem Polizisten redete. Und an dieser Stelle wird die Geschichte noch schlimmer.« Sie sah ihm mit beunruhigend festem Blick in die Augen. »Der Killer und der Cop stecken unter einer Decke.«
»Haben die beiden Sie in der Gasse gesehen?«
»Nein. Aber das macht keinen großen Unterschied, denn der Killer hatte sich bereits Zugang zum Sicherheitsprotokoll des Museums verschafft. So haben sie herausgefunden, dass ich zum Zeitpunkt des Mordes im Gebäude war. Deshalb suchen sie nach mir.«
»Könnten Sie den Mann identifizieren?«
»Den Mörder«, korrigierte sie. »Zuallererst einmal hatte er einen militärischen Kurzhaarschnitt. Und er war groß. Richtig groß.
Steroidmäßig groß«, fügte sie hinzu, wobei sie mit den Händen Größe und Gewicht andeutete. Wenn man ihren Gesten Glauben schenken konnte, dann hatte der Mörder eine unwahrscheinliche Schulterbreite von fast eineinhalb Meter. »Das ist alles, woran ich mich erinnern kann.«
»Ich verstehe.«
»Warten Sie!«, rief sie plötzlich und verschüttete ihren Cappuccino, als sie vor Aufregung gegen den Tisch stieß. »Er trug einen ungewöhnlichen silbernen Ring an der rechten Hand.« Sie wühlte in ihrer Tasche und förderte ein zerknittertes Blatt Papier zu Tage. »Haben Sie einen Stift?«
Wortlos langte er in seine Brusttasche. Sie nahm seinen Kugelschreiber und zeichnete ein kompliziertes Muster auf. Mit zur Seite geneigtem Kopf begutachtete sie ihr Kunstwerk, bevor sie das Blatt Papier in seine Richtung schob.
»Tut mir leid, aber ich bin Fotografin, keine Künstlerin.«
Cædmon betrachtete die Zeichnung und erkannte das Muster sofort.
»Wie interessant … Das ist ein Jerusalemkreuz. Auch bekannt als das Kreuz der Kreuzritter. Die vier Taukreuze repräsentieren das Alte Testament. Das sind diese T-förmigen Elemente.« Er deutete auf die Balken des größeren Kreuzes in der Mitte. »Und die vier
kleineren griechischen Kreuze sind das Neue Testament. Sind Sie sicher, dass das das Symbol auf dem Ring des … äh, Mörders war?«
Sie nickte. »Ist das von Bedeutung?«
»Das war es für die mittelalterlichen Ritter, die das Heilige Land eroberten«, informierte er sie. Er war mit dem Thema wohlvertraut, da er während seiner Zeit in Oxford ein Interesse für die Tempelritter entwickelt hatte. Ein obsessives Interesse, wie sich herausstellte. Eines, das ihn letztlich seine akademische Karriere gekostet hatte. »Im zwölften Jahrhundert diente dieses spezielle Kreuz als Wappen für das kurzlebige Königreich Jerusalem. Obwohl die europäischen Ritter …« Verlegen räusperte er sich. »Entschuldigen Sie. Ich schweife ab. Erinnern Sie sich sonst noch an etwas?«
Edie Miller zog die Unterlippe zwischen die Zähne, wodurch er sehen konnte, dass sie leicht schiefe Schneidezähne hatte. Und volle, schöne Lippen.
»Nein, tut mir leid. Aber Sie glauben mir doch, oder? Dass Dr. Padgham ermordet wurde?«
Unsicher, was er von ihrer fantastischen Geschichte halten sollte, schüttelte er den Kopf. »Warum in Gottes Namen sollte dieser maskierte Mann Jonathan Padgham umbringen? Padge war so harmlos wie ein sprichwörtliches Lamm. Nervig manchmal, das muss ich zugeben, aber völlig harmlos.«
Lang und fest starrte sie ihn an. Als hätte er gerade etwas völlig Dummes gefragt.
»Er wurde wegen des Artefakts getötet.«
»Artefakt? Das ist das erste Mal, dass Sie ein Artefakt erwähnen.«
Ein verwirrter Ausdruck trat in ihre Augen. Eine Sekunde später schüttelte sie den Kopf. »Oh Gott, das tut mir leid. Es ist so viel passiert. Ich bringe alles durcheinander. Als hätte mein Gehirn eine Art Kurzschluss.«
Wieder war er in Versuchung, sie in seine Arme zu ziehen. Auch wenn ihre Seelenqual nur eingebildet sein mochte, ihre Panik wirkte echt genug.
»Trinken Sie noch etwas Kaffee.«
Sie schluckte den Rest ihres Cappuccinos. Als er einen schwachen braunen Streifen an ihrer Oberlippe bemerkte, nahm er ohne nachzudenken eine Serviette und wischte den Fleck
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