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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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straffte die Schultern.
    »Ich suche jemanden. Haben Sie diese Frau gesehen?« Boyd hielt ein Foto einer gewissen Eloise Darlene Miller hoch.
    Der Wächter griff nach der Lesebrille, die er um den Hals hängen hatte. Nach einigen Sekunden sorgfältiger Musterung meinte er: »Ja, noch gar nicht allzu lange her, ehrlich gesagt. Wenn ich mich nicht irre, ist sie in die Halle hinuntergegangen.«
    Boyd war noch nie zuvor in der National Gallery of Art gewesen,
deshalb sah er sich in dem höhlenartigen Foyer mit den Marmorwänden um. »Wo ist die Halle?«
    »Am Fuß der Rolltreppe«, antwortete der Wächter und deutete dabei zur anderen Seite des Foyers. »Wollen Sie, dass ich das Sicherheitsteam des Museums alarmiere?«
    »Nicht nötig. Sie ist nicht gefährlich«, versicherte er dem Wachmann. »Wir müssen ihr nur ein paar Fragen stellen.« Boyd steckte das Foto zurück in die Manteltasche und steuerte auf die Rolltreppe zu.
    Unten angekommen nahm er unbeeindruckt die weiße Skulptur zur Kenntnis.
    »Wenn das Kunst ist, dann bin ich Leonardo Leck-mich da Vinci«, murmelte er. Die Skulptur sah ein wenig wie der Backenzahn aus, den er einmal einem betrunkenen Matrosen ausgeschlagen hatte. Er hatte diesen Zahn jahrelang als Glücksbringer behalten, denn das war seine erste richtig beachtenswerte Schlägerei gewesen.
    Als er einen schwach beleuchteten Souvenirladen betrat, sah Boyd, dass der Ort vor Menschen nur so wimmelte. Menschen, die Rollstühle schoben, Menschen, die Kleinkinder hinter sich herzogen, Menschen, die in Handys quasselten. Wo er auch hinsah, wanderten Menschen herum wie verlorene Schafe. Perfekt. Niemand würde sich später erinnern können, wer was wann getan hatte. Große Menschenmengen waren die beste Tarnung, die ein Jäger haben konnte.
    Während er an einem Ständer mit Karten vorbeikam, auf denen eine Weihnachtskrippe abgebildet war, machte er sich in Gedanken eine Notiz, dass das hier ein guter Platz für seine Weihnachtseinkäufe wäre. Nicht, dass diese gottlosen Leute je die Bedeutung von Weihnachten verstehen würden. Oder irgendein anderes Ereignis, das in der Bibel beschrieben war. Heutzutage verdrehten die Menschen das Wort Gottes ins Allgemeine und vergaßen, dass der biblische Text keinen weichgespülten esoterischen Interpretationen unterlag.

    Nur ein verblendeter Narr würde das Wort Gottes umdeuten.
    Das hatte der Colonel ihn gelehrt. Der Colonel hatte ihn eine Menge Dinge gelehrt seit dem Tag vor vier Jahren, als er ihm befohlen hatte, vor dem Allmächtigen auf die Knie zu fallen. Da er noch niemals zuvor gebetet hatte, war Boyd misstrauisch gewesen, aber sobald er die anfängliche Verlegenheit überwunden hatte, entdeckte er, wie leicht es war, Gott um Vergebung zu bitten. Und einfach so, in einem einzigen, das Leben verändernden Augenblick, waren ihm alle seine Sünden vergeben worden, die vergangenen und die gegenwärtigen. Die Bars, die Bordelle, die Schlägereien, alles vergeben. Ebenso der Mord an Frau und Kind.
    Obwohl es ein täglicher Kampf war, bemühte er sich nach Kräften, ein vollkommener heiliger Krieger zu sein. Er trank nicht. Rauchte nicht. Bewahrte seinen Körper als Tempel des Herrn. Er wünschte sich, er würde nicht fluchen, aber nachdem er bereits im Alter von siebzehn Jahren ins Corps eingetreten war, erwies sich das als eine Angewohnheit, die schwer abzulegen war.
    Es gibt immer die Möglichkeit zur Verbesserung , dachte er, als er den Souvenirladen verließ und das Cascade Café betrat.
    Er blieb stehen und filzte den Ort mit den Augen.
    Sie war hier, irgendwo in der Menge. Ihre Angst würde sie aus der Masse hervorstechen lassen, sie hatte eine eigene Energie. Einen eigenen Gestank, sozusagen. Wie eine Zielscheibe würde ihre Angst ihn zu ihr führen.
    Aber zuerst musste er sich absichern.
    Als er einen großen, bierbäuchigen Hausmeister sah, der lustlos einen gelben Putzeimer auf Rädern vor sich herschob, wusste Boyd, dass er den richtigen Mann gefunden hatte. Zehn Jahre lang hatte sein Vater einen ähnlichen Eimer vor sich hergeschoben. Deshalb wusste Boyd, dass Wartungs- und Reinigungskräfte jeder Art für den Rest der Welt unsichtbar waren. Die meisten Menschen schenkten ihnen nicht einmal ein höfliches Hallo, geschweige denn auch nur einen Seitenblick. Erfreut darüber, dass die Operation so
glatt lief, folgte er dem Mann durch eine Tür mit der Aufschrift Reinigungspersonal.
    Tatsächlich dachte er an seinen Daddy – ein mieser, betrunkener

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