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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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Museums bleiben. Im Hauptgeschoss wird das absolute Chaos herrschen.«
    »Ja, das nehme ich an. Allerdings wird Chaos uns sehr nützlich sein, wenn das Untier erneut sein hässliches Haupt erheben sollte.«
    Entschlossen, nicht nachzugeben, verschränkte Edie die Arme vor der Brust. »Wie oft waren Sie schon in der National Gallery of Art?«
    »Das ist mein jungfräuliches erstes Mal.« Wieder nahm Cædmon sie beim Arm, diesmal aber mit merklich festerem Griff. »Wenn Sie auch zweifellos mit dem Lageplan des Museums sehr vertraut sind, so leiden Sie doch an einem verzögerten Schock. Nicht die beste geistige Verfassung, um Entscheidungen zu treffen.«
    »Hören Sie, ich mag vielleicht durchdrehen, aber ich habe immer noch eine eigene Meinung.«
    Ohne ihrer letzten Bemerkung Beachtung zu schenken zog Cædmon sie in Richtung Treppe. Während sie die Stufen hochliefen, stolperte Edie zweimal, und er musste sie auffangen.
    Am oberen Ende der Treppe angekommen drehte sie sich zu ihm um. »Und was jetzt?«

    Anstatt zu antworten ging Cædmon auf einen verlassenen Rollstuhl zu, auf dessen Rückenlehne aus braunem Leder Eigentum der NGA stand. Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen, als er ihn packte und auf sie zu schob.
    »Den Hintern in den Stuhl«, befahl er schroff.
    Sie sträubte sich. »Zweimal stolpern macht noch keinen Invaliden.«
    »Der Schütze wird nach einer Frau ungefähr dieser Größe Ausschau halten.« Cædmon streckte die Hand aus und hob sie auf Höhe ihres Kopfes. »Der Schütze wird nicht nach einer Frau im Rollstuhl suchen.«
    »Woher soll ich wissen, ob …«
    »Hinsetzen! Bevor ich Ihnen in den Hintern trete!«
    Edie tat wie befohlen, als ihr verspätet dämmerte, dass sie gerade nach Kräften dabei war, den Mann gegen sich aufzubringen, der sie vor kurzem vor der Kugel eines Killers gerettet hatte. Unter großer Gefahr für sein eigenes Leben.
    Den Kopf in den Nacken gelegt sah sie zu ihm hoch. »Hören Sie, es tut mir leid, dass ich so eine Zicke bin. Ich bin einfach nur völlig verängstigt.« Und es nicht gewohnt, sich auf jemand anderes als sich selbst zu verlassen. Besonders was ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen anbelangte. In all den Jahren hatten so viele Menschen sie im Stich gelassen.
    »Sie haben jedes Recht, verängstigt zu sein«, entgegnete Cædmon, wieder ganz der höfliche Brite. Er löste die Bremse und schob den Rollstuhl vor sich her.
    Edie nahm die Tasche von der Schulter und presste sie eng an die Brust. In ihren leinenen Tiefen befand sich alles, was sie brauchen würde, um diesem Wahnsinn zu entkommen.
    Während Cædmon sich den Weg durch die Menge bahnte, erkannte sie, dass der Rollstuhl eine geniale Idee gewesen war, denn die Horden teilten sich vor ihnen wie das Rote Meer vor den Israeliten. Sie war Cædmons Plan, die lange Route durchs Museum
zu nehmen, gegenüber misstrauisch gewesen. Vielleicht würde sich seine Route ja, wie der Rollstuhl, doch noch als gute Eingebung erweisen.
    Innerhalb von Sekunden ließen sie die Galerie amerikanischer Gemälde hinter sich, und George Bellows berühmte Boxer verschwammen zu einem dunklen Schatten. Wenige Augenblicke später betraten sie den East Court Garden. Die feuchte Luft in dem höhlenartigen Raum war übelkeiterregend. Noch übelkeiterregender waren die geflügelten Putten, die rittlings auf einer riesigen Jakobsmuschel in der Mitte des Hofes saßen und denen Wasser munter über die pummeligen Füße sprudelte. Cædmon scherte nach rechts aus und an dem Springbrunnen vorbei. Als er den Stuhl an dem Säulenrundgang vorbeischob, erhaschte Edie einen Blick auf einen Obdachlosen, der tief und fest in einem schmiedeeisernen Stuhl schlief und nichts von dem Alarm und der Tonbandnachricht mitbekam, die aus den Lautsprechern dröhnte. Als sie den Hofgarten verlassen hatten, beschleunigte Cædmon das Tempo, während sie das lange Tunnelgewölbe der Skulpturhalle durchquerten. Zu beiden Seiten sah Edie in den angrenzenden Galerien vertraute bunte Bilder aufblitzen: Toulouse-Lautrec, Renoir – die Geschichte französischer Kunst des neunzehnten Jahrhunderts reduziert auf flüchtige Farbkleckse.
    Direkt vor ihnen, wie mächtige alte Bäume in einem unberührten Wald, ragten die gewaltigen schwarzen Marmorsäulen der großen Rotunde empor.
    »Wir können das Museum bei der Rotunde verlassen«, meinte sie, wobei sie sich in ihrem Sitz zu ihm umdrehte und in einer flehenden Geste die Hände ineinander verschränkte.
    Ihr Vorschlag wurde

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