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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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des Frühjahrstrimesters versammelte Sir Kenneth gerne seine Lieblingsstudenten auf dieser Terrasse. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund war die Erinnerung an diese üppigen Frühlingstage besonders deutlich. Und besonders schmerzhaft.
    »Ich weiß, Sir Kenneth wird mich für diesen Vorschlag zur Schnecke machen«, warf Edie ein, »aber was, wenn Schischak die
Bundeslade in Esdrelon zurückließ, so wie die Philister die Lade in Bet-Schemesch zurückließen? Schischak könnte das getan haben, wenn seine Soldaten plötzlich anfingen, über Tumore und Hautläsionen zu klagen. Oder was, wenn der Pharao Zeuge wurde, wie ein oder zwei seiner Soldaten von der durch die Bundeslade erzeugten elektrischen Spannung durch die Luft geschleudert wurden? Ich würde meinen, dass das Grund genug wäre, die Lade zu verstecken, noch schnell ein Gebet zu sprechen, und sich dann so schnell wie möglich aus Esdrelon zu verziehen.«
    Das hielt Cædmon für ein plausibles Szenario. Seine rührselige Stimmung verflog schlagartig, und er setzte sich wieder. »Du bist eine Frau ganz nach meinem Herzen.«
    Er hielt es auch für wahrscheinlich, dass Jahrhunderte später ein englischer Kreuzritter über Schischaks Opfergabe gestolpert war. Die Maße von Galens goldener Truhe, die in den ›Feet of Fines‹ angegeben waren, stimmten mit den im Alten Testament beschriebenen Maßen der Bundeslade genau überein. Und Esdrelon, wo Galen of Godmersham seine goldene Truhe entdeckt hatte, war der Ort, an dem die Gedenksäule von Schischak errichtet worden war.
    »Sir Kenneth sagte etwas davon, dass Galen stolzer Besitzer einer Anzahl von objets sacrés war. Glaubst du das Gleiche wie ich? Dass Galen auch über ein paar von Salomons Schilden stolperte?«
    »Es liegt nicht außerhalb des Bereichs des Möglichen, dass Schischak eine Reihe Schilde als Friedensangebot für die Götter zurückließ. Obwohl ich unserem Gastgeber diese Vermutung nicht unterbreiten würde.«
    »Schon kapiert.«
    Sir Kenneth schloss das Fenster wieder und kam zurück zu seinem Schreibtisch.
    »Es geht doch nichts über einen Schrei aus vollem Hals, um den Kopf freizubekommen, was? Sie sollten es auch einmal versuchen, meine Liebe. Ich vermute, Sie haben eine sehr gesunde Lunge.« Nach dieser Äußerung wandte er sich Cædmon zu. »Das war zwar
eine höchst unterhaltsame Diskussion, junger Aisquith, aber mit Ihrer ursprünglichen Annahme verhält es sich ähnlich wie mit einem Furz in einem Windkanal. Sie ist bestenfalls flüchtig.«
    »Und so ist ›eine schreckliche Schönheit geboren‹«, murmelte Cædmon spaßend.
    »Sie hatten immer schon etwas für literarische Schnörkel übrig. Wenn Sie mittelalterliche Literatur anstelle von Geschichte studiert hätten, hätten Sie es weit bringen können.«
    »Ähm, wo wir gerade von literarischen Bemühungen sprechen. Die Gedichte, die Galen vor seinem Tod geschrieben hat, machen mich neugierig«, warf Edie ein und übernahm die undankbare Aufgabe des Streitschlichters.
    »Ja, ich dachte mir, dass Sie beide sich für Galens Dichtung interessieren könnten. Die Originale werden in der Duke Humphrey’s Library aufbewahrt und können nicht entliehen werden. Aber zu Ihrem Glück, meine Liebe, habe ich eine Abschrift hier.«
    Im Stehen blätterte er durch einen Stapel Blätter auf seinem Schreibtisch. Als er nicht fand, wonach er suchte, wühlte er sich ungeduldig durch den nächsten Stapel. Und dann noch einen, wobei er die ganze Zeit vor sich hin murmelte.
    »Das ist unbegreiflich!«, stieß er verärgert aus und schlug mit der Handfläche auf den letzten Stapel. »Jemand hat die verdammten Quartette geklaut!«

37
    Vorsichtig nahm Marta Janus, so wie sie es jedes Jahr tat, den in Seidenpapier eingewickelten Weihnachtsschmuck aus der Schachtel. Zuerst wickelte sie die sechs mundgeblasenen gläsernen Engel aus ihrer Heimat Polen aus. Dann holte sie die in Schottenkaro gekleideten Weihnachtsmänner hervor. Wie immer fand sie die grün und
blau karierten Porzellanfiguren leicht grotesk, aber Sir Kenneth war über die Maßen stolz auf seine schottischen Vorfahren, also hängte sie diesen kitschigen Baumschmuck alle Jahre wieder an den Baum. Einen karierten Weihnachtsmann für jeden Kristallengel. Sir Kenneth beschwerte sich stets über die Art, wie der Baum geschmückt war, und nannte es ein seltsames Ritual für eine Frau, die behauptete, eine tiefgläubige Katholikin zu sein. Marta stellte sich einfach taub. Nach siebenundzwanzig Jahren

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