Saat des Himmels
Jussup! Und AmUlzo will
herausgefunden haben: Sie folgen strengen Riten. So ein
Weib soll nur einem Männlichen allein gehören, und
kopulieren dürften sie nach ihren Moralvorstellungen erst,
wenn sie durch ein rechtliches Zeremoniell einander
zugesprochen sind. Oje – das ist in der Tat ein Problem.
Kannst du…?“
„Rückgängig machen? Nein – bei den Gegebenheiten
nicht. Du vergisst, dass übermorgen unsere Zeit hier
abgelaufen ist. Ich schaffe keine weitere Genmanipulation
mehr.“
„Also – doch noch ein Wunder!“ VonEtali sagte es
sarkastisch, aber ihr Tonfall drückte aus, dass sie so
tragisch es nicht nahm. „Das vollbringen wir auf der Stelle!
Ich werde einen Cherub, einen der geflügelten Boten des
Allmächtigen, holographieren, ihn erscheinen lassen, und er
wird ihr sagen, dass sie keine Furcht empfinden solle, weil
sie auserwählt sei, den Messias zu gebären. Darauf
vorbereiten müssen wir sie schon. Überrascht genug wird
so ein Menschlein natürlich sein. Ich hole die Geräte.“
„Und ich habe den Jussup
– zurückbeordert“, erklärte
AmUlzo verunsichert, „weil ich annahm, dass er, da er so
lange von dieser Miriam getrennt war, sich ihr dann
sogleich intensiv nähern würde und so die Zeugung…
Aber halt! Das ist ja so viel besser! Sie sollen vom Anfang
an glauben, dass sie Auserwählte sind, dass ihr Sohn nicht
das gewöhnliche Produkt der geschlechtlichen Vereinigung
zweier Menschen ist, sondern durch eine höhere Macht der
Miriam eingegeben ward.“
„Ist ja auch absolut so“, bemerkte VomBergo flapsig. …
„Nur der Jussup… Er hat sie nicht berührt, und sie
bekommt ein Kind. Da müsste doch der Einfältigste stutzig
werden.“ AusGarmi wiegte lächelnd den Sehkopf.
„Dem werde ich die Zusammenhänge schon einflüstern.“
AmUlzo sagte es mit größter Zuversicht. „Und nach außen
nimmt er keinen Schaden, auch keinen moralischen. Nach
außen wird er der Vater sein.“
„Und dieser Abchat, wird er seine Magd freigeben?“,
fragte VomBergo.
„Er wird den Jussup als ihren Mann akzeptieren und damit
späterhin auch die Schwangerschaft. VonEtali wird seiner
Einsicht und dem Image dieses Jussup ein wenig
–
nachhelfen. Dem Ben Abchat wird ein Lagerschuppen
einstürzen, und der Jussup, der ja von Haus aus Zimmerer
ist, wird Holz haben und den Schaden reparieren. So wird
er sich bei Abchat Ansehen verschaffen und um seine
Angebetete erfolgreich werben. Die Miriam haben wir auf
das kommende Ereignis ein wenig vorbereitet.“
In verändertem Tonfall fuhr AmUlzo fort: „Eine gehörige
psychische Last bürden wir den armen Menschen schon
auf…“
„Aber ganz schön eingefädelt hat er das, unser AmUlzo.
Bist ein Ausgekochter! Nur – wie es später weitergehen
soll, steht wohl doch in den Sternen.“ AusGarmi wiegte den
Sehkopf.
AmUlzo entgegnete mit einem Gemeinplatz: „Kommt
Zeit, kommt Rat“, sagte er.
11.
Wenn der Sprecher eine Pause machte, das
Gemurmel in der Runde für Augenblicke
verstummte und auch die Holzscheite im Feuer nicht
knisterten und barsten, konnte man vom nahen Fluss das
Plätschern und Gurgeln des träge fließenden Wassers hören.
Ab und an quakte ein Frosch oder schrie fern ein
Nachtvogel.
An die drei Dutzend Menschen, Männer, Frauen und auch
Kinder, lagerten im Dreiviertelkreis um das hoch lodernde
Feuer. Den Gesichtern der in der vorderen Reihe Sitzenden
malte der Flammenschein Grimassen.
Ibrahim, der Ruhelose, saß auf einem Stein in der Lücke
des Kreises. Hinter ihm standen niedrige Palmen, deren
Wedel leicht in der Brise, die vom Fluss her wehte,
schwankten, sich nach oben in den schwarzen Himmel
verloren, auf den Boden bizarr sich reckende Schatten
warfen.
Ibrahim breitete die Arme, richtete den Blick ins
Firmament und setzte mit Pathos seine Rede fort: „So wahr
mir der Allmächtige helfe – er wird kommen, der Erlöser!
Ich bin nur sein nichtswürdiger Diener, sein Vorbote, jener,
der eure ungläubigen Seelen auf ihn, den Herrn, vorbereitet,
der euch für seinen Segen und seine Gnade einstimmt, euch
mit dem heiligen Wasser des Nadro eure Sünden von den
befleckten Leibern spült. Wenn er kommt, sollt ihr seine
Anhänger, seine Heerschar sein, diejenigen, die die Lehre
in die Weite tragen – bis jenseits des großen Wassers…
damit die Unwissenden zu ihm finden und die Gutwilligen
bereuen, damit die Welt friedlich und besser wird und alle
im Reiche des Allmächtigen von ihrem Leid erlöst
werden…“
„Und die
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