Saat des Himmels
Tür passieren zu
können.
Rechts stand eines der grauen Tiere, das sie Esel nannten.
In Erinnerung an VomBergos Unfall mied sie dessen
Nähe und schlüpfte links zu den kleineren Tieren, wo sie
sich so platzierte, dass sie das Geschehen, das nun
unweigerlich einsetzen musste, würde überblicken können.
Sie betteten Miriam vorsichtig auf ein Tuch, das sie auf
einer Schütte trockener Halme ausgebreitet hatten, die in
der Masse wohl eine weiche Unterlage bieten mochten.
Das alte Weib, das Rehab hieß, und Achim verließen den
Raum.
Salome öffnete die Kleider Miriams, die sich in
Schmerzen wand und mit den Händen Bündel der Halme
verkrampft aus dem Verbund zerrte.
Dann kam die alte Frau zurück mit einem Krug, einer
Schüssel und Tüchern, wies an der Tür Jussup ab und
beugte sich mit Salome über die Gebärende, die mit
angestellten Beinen schwer atmend dalag und unterdrückte
Schmerzenslaute von sich gab. Ihr Gesicht war gerötet und
ihr Körper bebte, als wühle eine ungerichtete Kraft in ihm.
Während Salome beruhigend auf Miriam einsprach,
drückte Rehab mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft
von oben her auf den gewölbten Leib der jungen Frau und
schrie in Abständen: „Pressen! Presse – gleich – noch ein
Stück!“
Und Miriam bäumte sich; sie strengte sich an, dass ihre
Adern am Hals hervortraten.
„Jeeetzt!“, rief die Alte. Und einen Augenblick später hielt
sie ein rötliches, nasses Etwas in die Höhe, das an einer
Schnur hing, die in Miriams Unterleib verschwand.
„Ein Knabe! Du hast einen Sohn!“, rief die Helferin und
wandte sich der total erschöpften Mutter zu, die kraftlos auf
ihr Lager aus trockenen Halmen zurückgesunken war.
Aber dann strömte wieder Leben in Miriam. Sie richtete
sich ein wenig auf, ein glückliches Lächeln überstrahlte ihr
schweißnasses Gesicht, und sie hauchte: „Was hast du denn
gedacht!“ Verklärt blickte sie auf das Menschlein.
Salome klatschte in die Hände, stand im Übrigen hilflos
herum.
„Bring die Schüssel her!“, forderte Rehab. Und sie wusch
den Frischgeborenen, der plötzlich quäkende Laute, für
seine Unscheinbarkeit ziemlich kräftige, von sich gab.
„Breite das Tuch aus!“
Die Helferin wies mit dem Köpfchen des Knaben auf ein
Gestell aus Hölzern, auf dem getrocknete dünne
Pflanzenstängel lagen, die, das wusste VonEtali, den Tieren
als Nahrung dienten.
Darauf legte Salome das Tuch aus, und sie betteten den
Sohn der Miriam darauf, der sein Schreien eingestellt hatte
und unstet mit seinen dünnen, zerbrechlich anmutenden
Ärmchen und Beinchen strampelte.
VonEtali war wie benommen.
AusGarmi hatte den Hergang der Geburt eines neuen
Erdlings zwar verständlich erklärt, aber das unmittelbare
Erleben spottete jeder Vorstellung. Eine derart uriganimalische Tortur hatte VonEtali nicht erwartet.
Augenblicke noch hantierte die Alte an Miriam herum,
bedeckte sie sodann mit Kleidern, öffnete die Tür und ließ
Jussup mit den Worten eintreten: „Kannst kommen!“
Als dieser sich eilig an ihr vorbeidrängte, murmelte sie
noch: „So alt wie ich geworden bin, aber so etwas habe ich
noch nicht erlebt.“
Mit dieser Aussage konnte VonEtali zunächst überhaupt
nichts anfangen Jussup aber, als sei er in Trance, achtete
nicht auf das Gerede; er eilte auf das Gestell zu und fiel
davor auf die Knie.
Beinahe jede Vorsicht außer Acht lassend, hatte sich
VonEtali ebenfalls dem Lager des Winzlings genähert, und
sie ließ Augenblicke lang gedämpft Licht auf das kleine
Gesichtchen fallen, das rot und schrumpelig war und auf
den hellen Schein nicht im Geringsten reagierte. „Das also
soll er sein, der Messias, der Glücksbringer“, dachte
VonEtali. Und gelinde Zweifel an AmUlzos Idee
durchzogen ihr Denken.
Das Erinnern an den Gefährten brachte sie in die
Wirklichkeit zurück. Sie löschte ihre Lampe und begab sich
wieder auf den vorher von ihr eingenommenen Platz.
Jussup wandte sich Miriam zu, kniete vor ihr, hielt ihre
Hand und sprach mit zärtlichen Worten auf sie ein.
„Des Allmächtigen und unser Sohn“, flüsterte kaum
hörbar Miriam. „Ich bin glücklich, mein Jussup.“
Dicht neben VonEtali tuschelten die Alte und Salome.
„Ich kann es mir nicht erklären“, raunte Salome. „Aber du
siehst ja…“
„Was ist?“, rief Miriam, aufmerksam geworden, mit
schwacher Stimme.
„Keine Sorge! Du mit deinem Gerede!“, schalt Salome die
Alte.
„Der Knabe ist gesund“, beruhigte diese Miriam. „Mit dir
ist – oder war –
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