Saat des Himmels
Bleib
du bei Miriam… Und denke daran, dass das Boot längst
nicht so manövrierfähig ist, wie der Gleiter.“
VonEtali erschrak, als sie Miriams ansichtig wurde. Sie
hatte zwar schon etliche schwangere Frauen zu Gesicht
bekommen und aus der Nähe betrachten können, aber bei
dieser zarten Person Miriam fiel ihr die Unförmigkeit des
Leibes ganz besonders auf, wenngleich die junge Frau ihre
Rundung durch weite Gewänder zu kaschieren suchte.
Dass diese Verwandten Jussup und Miriam begleiteten,
beruhigte VonEtali einigermaßen; denn wenn etwas
Unvorhergesehenes geschähe, würde sie erst im letzten
Augenblick eingreifen wollen, obwohl, sie lächelte bei dem
Gedanken, jetzt wohl Wunder langsam angesagt sein
müssten.
VonEtali glitt mit dem Boot neben der langsam trottenden
Kolonne her. Sie langweilte sich den ersten Tag der Reise
außerordentlich, zumal sie ihre Schutzbefohlenen in der
Karawane in guter Obhut wusste.
Tags darauf begann sie rechts und links von der Route
abzuweichen. Es bereitete ihr nachgerade Spaß, und sie
wurde immer dreister bei der Vermittlung ihrer Botschaft.
Einmal schläferte sie einzelne Leute, auf die sie traf, ein,
ein anderes Mal verängstigte sie ganze Gruppen, auf die sie
unsichtbar mit mächtiger Stimme einsprach. In jedem Falle
aber erzielte sie bei den naiven Gemütern große Wirkung.
Stundenlang konnten sich die Betroffenen nach einem
solchen Anschlag über das unerhörte Ereignis unterhalten.
Sie sprachen sich immer wieder die Worte vor,
übermittelten sie solchen, die sie nicht selber gehört hatten.
Immer lauter wurde der Ruf: „Auf nach Batham, das
Wunder schaun!“ Und fortan fügte VonEtali ihrer
Prophezeiung an, dass es ein Zeichen geben werde, wenn
der Erlöser das irdische Licht dieser Welt erblickt.
VonEtali war zutiefst überrascht von der
Leichtgläubigkeit der Menschen; sie erahnte aber auch, wie
groß das Leid sein musste, das sie täglich zu ertragen
hatten. Und nun schien es, als werde das Ziel des Hoffens
Wirklichkeit, als breche tatsächlich eine neue, eine
menschenfreundliche Epoche an. Oftmals dachte VonEtali
und fand bestätigt, wie viel Reales AmUlzos Idee in sich
barg. Gleichzeitig spürte sie, wie sie selbst sich immer mehr
in dem Netz verstrickte, das der Mann, den sie liebte,
ausgeworfen hatte. „Wir beide unserer Spezies allein auf
dieser Erde – vielleicht mit wenigen Gleichgesinnten?
Heimat? Heimatgefühle oder gar Sehnsucht nach
OZEANA? Nein! Wer sich an einer solchen Expedition
beteiligt, muss damit rechnen, nicht mehr zurückzukehren.
Er hat gut daran getan, alle Brücken hinter sich
abzubrechen. Und hier? Man hätte ein Leben lang zu tun,
dieses Wunder von einem Planeten zu erkunden, und nur
das! Keine Sorge um den täglichen Odem, keine Zwangs
Verpflichtung mehr in die Wüsten zum Reflektorbau, um
den unersättlichen Energiebedarf unseres technokratischen
Regimes zu befriedigen… Aja! Technik. Sicher dürften wir
nicht viel behalten von unseren Apparaten und Hilfsmitteln
– vielleicht nichts; denn einverstanden mit unserem Tun
würde VomLagero keineswegs sein. Und das wenige würde
verschleißen, es ließe sich nicht ersetzen ohne Basis. Und –
was eigentlich würden wir brauchen? Mindestens noch
hundert hiesiger Jahre gelte es zu leben, die Hälfte davon
wahrscheinlich so primitiv wie die Ureinwohner. Nein! Wir
haben unser Wissen! Es ließe sich denen übermitteln,
technischer Fortschritt initiieren. Genau das wohl will
AmUlzo. Wir würden das jetzige Niveau nie mehr
erreichen, aber das ist nicht notwendig. Eine riesige
Aufgabe hätten wir, wie nie einer in der Heimat sie je
erleben wird. Warum aber kommt nur AmUlzo auf diese
Idee und kein anderer von uns? So abwegig ist sie doch
nicht – nur, sie widerspricht im höchsten Maße der Ethik
des Raumes. Respektieren das alle anderen, nur AmUlzo
nicht? Und hat es in der Geschichte nicht stets jemanden
gegeben, der die gesetzte Moral brach, dann, wenn sich die
Gelegenheiten dazu boten, Gelegenheiten, die so vielfältig,
Beweggründe, die so unterschiedlich sein können wie die
Individuen und ihre materielle Ausstattung selbst? Oder
dann, wenn die Zeit reif war, Überlebtes abzustreifen?
Und wie wird man mit der Last, der Schuld des
Normenbruchs, leben, weiterleben? Wie würdest du,
VonEtali, weiterleben können? Das ist wohl abhängig von
der Tiefe der Überzeugung, die man hat, und von der
Aufgabe, der man sich stellt.
Aber was ist mit denen von der OZEANA eins geschehen,
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