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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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welche
finden, die zumindest den einen oder anderen dieser
Knaben retten können. Melde dich bei Gelegenheit wieder.“
Nachdenklich schaltete VonEtali das Gerät ab.
Nach einer Pause bemerkte AusGarmi bitter: „Was hast
du vorhin gesagt: Du beendest das Spiel, wenn jemandem
Leid zugefügt wird? Der Stein rollt, VonEtali. Was wirst du
tun?“
VonEtali antwortete lange nicht.
„Ich versuche zu retten, was zu retten ist“, sagte sie dann,
„und ich werde deine Hilfe brauchen. Wie es weitergeht,
sollten wir – danach entscheiden. Offensichtlich wissen –
unsere jungen Eltern noch nichts von der Gefahr, die ihnen
droht. Die Elektronik hätte sonst angesprochen. Es ist
vielleicht noch nicht zu spät.“
„Für sie vielleicht nicht. Aber die anderen?“
„Die anderen…“ VonEtalis Worte drückten Hilflosigkeit
aus.
„Es ist dies schon unser Werk, VonEtali! Und der Urheber
ist kaltgestellt. Zu entscheiden haben wir beide.“
„Über kurz oder lang hätte die gleiche Situation ohne
unser Zutun eintreten können, wenn… wenn sich einer von
den Ureinwohnern zum Messias ernannt hätte oder gekürt
worden wäre. Denn sie erwarten einen solchen, du weißt
es.“
„Als Baby?“
„Lass’s gut sein. Melde mich morgen krank, und achte
darauf, dass niemand das Beiboot vermisst. Ich komme so
schnell wie möglich zurück.“

24.
    Nie würde VonEtali die Szene vergessen, die sich
ihr bot, kurz nachdem sie die Stadt betreten hatte.
Und nie würde sie sich von der Schuld freisprechen können,
das Schreckliche mit verursacht zu haben:
    Sie hatte das Boot in einem Gebüsch, das in der Lücke
zwischen zwei Häusern wucherte, abgestellt, war in die
Gasse geglitten, hatte sich orientiert und schlug den Weg zu
jenem Hügel ein, an dessen Hang sie ihr Ziel wusste.
    Aus einem der Häuser, die sie passierte, drangen lautes,
mehrstimmiges Geschrei und Gepolter. Kurz darauf traten
zwei okzidentale Krieger heraus. Der eine presste ein laut
schreiendes Menschlein unter den Arm und wehrte eine
Frau ab, die ihm mit angstverzerrtem Gesicht folgte und das
Kind zu entreißen versuchte. Der Mann jedoch, der das
Weib um mehr als Haupteslänge überragte, hielt das Baby
in die Höhe, sein Gesicht überzog ein breites, brutales
Grinsen, und plötzlich hieb er das kleine Wesen mit Wucht
gegen die Hauswand. Dessen Schreien verstummte jäh.
    Die Frau ließ laut weinend von dem Krieger ab und warf
sich wehklagend auf die Knie neben ihr blutüberströmtes
Kind.
    In der Haustür stand ein Mann, Tränen liefen über sein
stoppelbärtiges Gesicht. Aber er hob drohend,
Verwünschungen ausstoßend, die Fäuste gegen die
gleichgültig davonschreitenden Soldaten.
    VonEtali war zutiefst erschüttert. „Unser Werk“, dachte
sie bitter. Und sie wusste, dass es ein Zurück, zumindest im
Augenblick, nicht gab, wollten sie nicht noch mehr und
vielleicht noch größere Schuld auf sich laden. „Dieses hat
AmUlzo, haben wir nicht gewollt. Aber wer schon hätte
solch Grausames, Unmenschliches voraussehen können!
Unmenschlich? Haben wir nicht erfahren, in der kurzen
Zeit, die wir uns auf diesem Planeten befinden, dass ihre
Geschichte, ihr Dasein, immer wieder vom Hinschlachten
ihresgleichen begleitet wird? Haben wir es nicht erlebt, dort
im Norden? Die Nichteinmischungsdoktrin – wie richtig sie
ist! Was wissen wir schon vom Wesen einer anderen, uns
nicht im Geringsten gleichenden Spezies, was ist
menschlich und was unmenschlich? Für uns muss alles
menschlich sein, was sie zu Wege bringen. Uns ist wenig,
so gut wie nichts bekannt von den Zusammenhängen in
ihren sozialen Strukturen, von den Eigenarten und Gelüsten
des Einzelnen, insbesondere nicht, wozu er fähig ist, wenn
er die Macht hat, seine Visionen auszuleben…“
    Plötzlich wurde sich VonEtali bewusst, dass keine Zeit zu
verlieren war. Sie kehrte um, startete das Boot und
schwebte den Hügel hinan, stellte die Maschine direkt und
sichtbar vor dem Stall ab, glitt an die Tür, horchte einen
Augenblick und stieß diese dann auf, ohne darauf zu
achten, dass ihr Vorgehen die Menschen im Inneren über
alle Maßen verängstigen könnte.
Sie irrte sich.
    Offenbar war es nicht ungewöhnlich, wenn sich die Tür in
ihren Angeln bewegte, vielleicht nur durch einen Windstoß.
VonEtali fand ein Bild vor, wie es friedlicher nicht sein
konnte:
Jussup saß und schnitzte hingegeben an einer hölzernen
Cherub-Figur, und er sah nur kurz auf, als sich die Tür
scheinbar selbständig öffnete und wieder

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