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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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schloss.
Miriam lag auf der Schütte, angelehnt an einem
Strohballen; sie hielt das Kind im Arm, das sie zärtlich
betrachtete.
Vor ihr aber knieten vier Männer in vornehmen
Gewändern. Mit gefalteten Händen verharrten sie in stiller
Andacht. Auf dem Boden lagen Bündel, aus denen Früchte
lugten, ein Laib Brot. Und es stand da ein Krug voller
Milch. Tiere befanden sich nicht im Raum.
VonEtali zögerte nicht. Sie richtete den Projektor, und
alsbald erstand im düsteren Hintergrund des Stalls das
Hologramm eines übermannsgroßen Geflügelten, und sie
sprach über den Wandler: „Fürchtet euch nicht! Der Herr
schickt mich, um euch in ein sicheres Land zu führen. Euer
König hier lässt alle neugeborenen Knaben töten, weil er
um seine Macht fürchtet, die ihm der Erlöser, den du,
Miriam, in deinen Armen hältst, schmälern könnte – laut
einer falschen Prophezeiung. Vertrauet euch mir an, was
immer euch auch widerfahren mag. Fürchtet euch nicht, der
Herr ist mit euch.“
Die Menschen rührten sich nicht. Sie starrten gebannt auf
die Erscheinung. Dann sanken die vier Anbeter in sich
zusammen und bargen ihr Gesicht im Stroh.
Als erster fasste sich Jussup. Er legte sein Werkzeug
beiseite, ging auf die Knie, wandte das Gesicht gegen die
Decke des Raums und hauchte: „Ja, Herr, wir folgen dir.“
Obwohl VonEtali höchste Eile geboten schien, schließlich
war die Mörderbande nur weniges entfernt, wahrte sie die
Würde des Augenblicks und wartete geduldig, bis die
beiden Menschen die wenigen Habseligkeiten gebündelt
und den Knaben in ein warmes Tuch gewickelt hatten. So
lange ließ sie das Bild stehen.
Die vier Männer waren an die Stallwand zurückgewichen,
saßen und verfolgten staunend, verängstigt und stumm das
Geschehen.
„Ich führe euch!“
VonEtali ließ den Geflügelten sich auflösen, fasste
Miriam, die das Kind an die Brust schmiegte, an der Hand,
achtete darauf, dass sie im Wesentlichen außerhalb des
Bereiches des Schildes und damit sichtbar blieb und führte
sie aus dem Stall hinaus zum Boot. Jussup folgte mit den
Bündeln.
Es war das erste Mal, dass VonEtali eines Menschen Hand
unmittelbar berührte, und ihr war, als knüpfe sich in diesem
Augenblick ein Band zwischen ihr und dieser Frau,
zwischen Nichtmensch und Mensch – oder zwischen zwei
Ergebnissen der Evolution gleicher Intuition
–, so
unterschiedlich die äußeren Hüllen auch sein mochten.
„Steigt ein“, gebot VonEtali. Und als die beiden
Menschen sich wie in Trance gesetzt hatten, startete sie und
schaltete gleichzeitig den Schirm ein.
Vor dem Stall standen die Männer, und sie fielen erneut
auf die Knie, als sich die Maschine rauschend erhob und
sich auflösend scheinbar im Nichts entschwand.
VonEtali musste lächeln, als sie sich vorstellte, was in den
Köpfen dieser Zuschauer vorgehen mochte. Und
gleichzeitig wurde sie sich bewusst, dass sie soeben erneut
einen Akt vollzogen hatte, der ihr Spiel weiter trieb.
Sie steuerte das Boot über einer Straße, die nach Westen
führte. Sie hatte in Erinnerung, dass dort ein Land lag, das
nicht zum Machtbereich des Königs zählte.
Wenig später gewahrte sie unter sich eine Lehmhütte, vor
der gelangweilt mehrere Krieger lungerten. Die
Grenzwache?
Unter der Maschine glitt ödes Land dahin. VonEtali
wurde ungeduldig. Sie musste zurück in die Stadt, das
zweite Kind… Und außerdem war das Risiko groß, dass ihr
Verlassen des Camps entdeckt wurde, je länger sie ausblieb.
Endlich kam links vom Kurs eine Oase in Sicht. VonEtali
steuerte darauf zu, ging am Rande der Pflanzung an einer
Gruppe dicht stehender Dattelpalmen nieder, vergewisserte
sich, dass sich Menschen nicht in der Nähe aufhielten, ließ
den Geflügelten noch einmal zwischen den Stämmen
entstehen und sagte: „Bleibt in diesem Land, bis in eurer
Heimat Ruhe eingekehrt ist, geht dann zurück, und ihr
werdet Freunde finden. Euer Sohn wird wohlgeraten in
eurer und in der Obhut des Herrn, der in seiner Weisheit zu
gebotenen Zeiten zu ihm sprechen wird. Ich begleite euch
auf euren Wegen in seinem Auftrag.“
Jussup und Miriam fielen auf die Knie.
„Wir danken dir, o Herr, für die Rettung“, rief Jussup mit
gen Himmel gewandtem Antlitz.
Und in höchster Eile startete VonEtali zurück, nahm das
Hologramm des übersinnlichen Wesens gleichsam mit in
die Höhe.
Sie benötigte eine Weile, bis sie das Gebäude wieder
auffand, in dem sie den ersten Knaben gezeugt hatten. Aber
alsbald stellte VonEtali fest, dass sich in

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