Sabihas Lied
Menschheit. So alt wie die Weiblichkeit. Wie die Mutterschaft. Sie war nicht allein. Ihre GroÃmutter stand ihr bei.
Dann erblickte sie Bruno. Den breiten Rücken im rot-blau gestreiften Hemd, während er seinen Lieferwagen entlud. Sie hatte das Gefühl, ihn durch ein umgedrehtes Fernrohr zu sehen oder am Ende eines Tunnels, die Händler und Obststände um ihn herum waren völlig verschwommen. Er hingegen war so greifbar, so präsent, dass sie den Atem anhielt. Ruckartig drehte er sich von den offenen Ladetüren weg, drückte behutsam drei Kisten Tomaten an seine Brust, die Ãrmel bis zu den Ellbogen aufgerollt, die Jeans an den Knien ausgeblichen, die langen schwarzen Haare schwingend und glänzend. In den Armen trug er eine besonders feine Auswahl seiner Lieblingssorten, Grappe Monica, Caspian Pink, Douce de Picardie. Es hätte sich auch um zarteste Rosenarten oder Damen vom Theater handeln können, denen er als echter Kavalier nur zu gern zu Diensten stand.
Plötzlich bekam Sabiha einen leichten Brechreiz, feiner Schweià drang ihr aus den Poren, während sie darauf wartete, dass er sie sah.
Wie schön er war. Das überraschte sie. Bisher hatte sie seine Schönheit nicht wahrgenommen. Seine starken Arme und Schultern. Seine Gelassenheit. Die Anmut und Geschmeidigkeit seiner Bewegungen. Seine natürliche Männlichkeit. Diese Schönheit empfand sie als Bedrohung, und wenn er in diesem Augenblick vor ihren Augen gestorben wäre, hätte sie keine Trauer verspürt, sondern Erleichterung. Wie sollte sie es nur vollbringen? Aber sie konnte ohnehin nicht mehr zurück. Sie war bereits in diese andere Sphäre vorgedrungen. Ihre alte Wirklichkeit war bedeutungslos geworden.
Als Bruno sie sah, hielt er inne, blieb so reglos stehen wie eine Statue, die schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht, den Mund hatte er leicht geöffnet.
Ohne die Augen von ihr abzuwenden, ging Bruno langsam in die Knie und setzte die Kisten ab, dann richtete er sich wieder auf und stand mit hängenden Armen da. Als sei er angesichts eines nahenden Feindes vor Angst erstarrt und müsste seinen ganzen Mut zusammennehmen, um den Kampf zu bestehen.
Sabiha tat den ersten Schritt.
Sie ging die letzten paar Meter auf ihn zu und stand so dicht vor ihm, dass ihr der vertraute Tomatengeruch in die Nase stieg. Anstatt ihn zu grüÃen, sah sie Bruno in die Augen, um ihm zu verstehen zu geben, warum sie hier war. An seinem Blick konnte sie erkennen, dass ihr stillschweigendes Angebot ihn überwältigte und sein Verlangen längst geweckt war. Wortlos drehte er sich um und ging an seinem Stand vorbei zum Lieferwagen zurück. Sabiha wusste, dass sie ihm folgen sollte. Vor den offenen Ladetüren blieb er stehen und reichte ihr die Hand. Sie nahm sie, als handelte es sich bloà um eine ritterliche Geste, und stieg in den Laderaum. Die Berührung seiner Finger jagte ihr einen Schauer über den Rücken, der sie zum Seufzen brachte.
In dem hohen Innenraum stellte sie ihre Handtasche ab und lehnte sich mit geschlossenen Augen an die Seitenwand. Es gelang ihr nicht, ruhiger zu atmen. Der Wagen senkte und hob sich, als Bruno einstieg. Sie hörte ihn die Türen schlieÃen. Kein Licht drang durch ihre zugepressten Lider. Nun spürte sie seine Nähe. Nahm seinen intensiven Geruch wahr, seine schwere Atmung, fühlte, wie seine Finger ihren Mantel aufknöpften und das Kleid hochschoben. Seine Hände auf ihren nackten Oberschenkeln, ein schwaches Stöhnen, als seine Finger ihre BlöÃe entdeckten. Keuchend lehnte er sich vor, packte Sabiha am Hintern und drückte sie an sich. Sie spreizte die Schenkel und schlang ein Bein um seine Hüfte, um ihn so tief wie möglich aufzunehmen. Er stöhnte auf, am ganzen Körper zitternd, gab unzusammenhängende Laute von sich, klagende oder flehende »Aaahs!«, als stieÃe man ihm ein Messer in den Bauch.
Die Lust war atemberaubend. Das hatte Sabiha nicht erwartet. Es traf sie wie ein Schock. Sie wollte dagegen ankämpfen, hatte das Gefühl, jeden Halt zu verlieren. Panisch klammerte sie sich an ihn und rief: »Bruno! Oh Gott, Bruno!«
Auf dem Höhepunkt stieà er ein markerschütterndes Heulen aus.
Die ekstatischen Schreie kamen von ihr.
Die Blechwand in ihrem Rücken wölbte sich ächzend nach auÃen.
Eng umschlungen standen sie da, wie versteinert.
Sabiha schnappte nach Luft und riss sich
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