SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
kam jedoch nur langsam voran, da trotz der sternklaren Nacht der überwiegende Teil der Landschaft in tiefe Schatten getaucht war. Die grauschwarzen Wände der Berge wurden nur teilweise durch die Silhouetten einiger zäher Ponderosa-Kiefern aufgelockert. Ansonsten stolperten meine Füße nur über kleinere und größere Gesteinsbrocken, die sich im Laufe der Zeit von den Hängen gelöst hatten.
Ich hatte beinahe den halben See umrundet, als ich mich wieder meiner eigentlichen Aufgabe besann; zu gerne hätte ich sie aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ich war nicht als nachtschwärmender Tourist unterwegs, sondern als Henker. Falsch, dachte ich. Ein Henker richtete einen rechtmäßig verurteilten Verbrecher. Doch welchem Verbrechen hatte sich die kleine Katze dort schuldig gemacht? Mir fiel keine plausible Antwort ein. Das Tier war lediglich ein lästiger Zeuge, eine Erinnerung. Wie du es auch drehen magst , sagte ich mir, du wirst nicht richten, sondern morden.
Nur widerstrebend rutschte ich die steile Böschung zum Ufer hinab. Unten angelangt, kauerte ich mich an den Hang und setzte den Sack behutsam neben mir ab. Das träge Wasser berührte bereits meine Schuhspitzen. Lange blieb ich so sitzen, die Arme um die Knie geschlungen und starrte über die eisige blauschwarze Fläche. Das arktische Aussehen des Wassers ließ meinen Plan nur noch barbarischer erscheinen.
Der durchdringende Schrei einer Kreischeule durchbrach meine Starre. Als ich aufsprang und meine kalten Finger massierte, suchte ich nach einem einleuchtenden Motiv für meine Tat. Ohne Grund konnte ich einfach kein Lebewesen – sei es ein Schmetterling, eine Maus oder eine Katze – töten. Ich schloss die Augen, um mich auf eine schlüssige Argumentation zu konzentrieren. Wie hatte ich es gerade noch ausgedrückt? Die Katze war nichts weiter als ein lästiger Zeuge. Lag hier vielleicht das wahre Motiv verborgen? Was war derart bedrohlich an einer Katze, die wieder Herrin über ihren eigenen Körper war? Sicherlich würde sie nicht sofort zu CNN rennen und Anklage wegen zeitweiliger Besessenheit durch eine ägyptische Göttin erheben. Die Gefahr musste woanders liegen. Doch wo?
Fragend betrachtete ich den schwach zuckenden Sack. Wo liegt dein Geheimnis? , fragte ich ihn in Gedanken. Worin liegt deine Macht, dass Bastet deinen Tod befiehlt? Als Reaktion hörte ich ein klagendes Miauen aus dem Inneren. Offenbar litt nun auch das Tier unter der ungewöhnlichen Kälte. Mach endlich Schluss , sagte mir eine innere Stimme. Jedes weitere Zögern verlängert nur die Qual. Wie geschickt ich doch war, einen Mord als Samaritertat erscheinen zu lassen. Das Miauen wurde lauter. Erregter. Konnte die Katze Gedanken lesen? Ich packte den Sack am zugebundenen Ende und ließ ihn immer stärker hin und her schwingen. Das Miauen klang nun eher wie ein Schreien. Konzentriert starrte ich auf die Mitte des Sees. Ich würde versuchen, das Bündel so weit wie möglich hinauszuschleudern. 20 oder 30 Meter vom Ufer entfernt würde es für immer in unergründlichen Tiefen versinken.
Das Klagen war wirklich ein Schreien. Ein beinahe menschliches Schreien. Abrupt verharrte mein ausgestreckter Arm in der Luft. Menschlich? , dachte ich. War das des Rätsels Lösung? Ich setzte den Sack wieder ab und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
Bastet fürchtete sich tatsächlich nicht vor einer kleinen Hauskatze, es sei denn, sie wäre keine Katze; jedenfalls keine normale. Ich spürte, wie mir trotz der Kälte das Blut heiß in den Schläfen pochte. Konnte es vielleicht sein …? Nervös begann ich, die vielen Knoten zu entwirren. Ich musste mir einfach Gewissheit verschaffen; eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Als ich den Strick endlich abstreifen konnte, hatte sich die Gefangene wieder vollkommen beruhigt. Ich öffnete den Sack nur einen kleinen Spalt und steckte dann meine Hand vorsichtig hinein. Für einen kurzen Augenblick hatte ich die beängstigende Vorstellung, in ein Schlangennest zu greifen. Das Vorhaben war dennoch nicht einfach. Mit angehaltenem Atem betastete ich behutsam den Rücken der Katze, um so den wulstigen Nacken zu finden. Ich hatte ihn fast erreicht, als sich scharfe Krallen in mein Handgelenk gruben.
Schreiend stolperte ich zurück und verlor dabei den Sack. Noch in derselben Sekunde nutzte das Tier seine Chance und befreite sich mit einem imposanten Sprung. Blitzschnell jagte es die Böschung hinauf.
»Hehhh, warte!«, schrie ich der Katze sinnlos
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