SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
deine alte Hülle und werde wiedergeboren als hohe Frau.
Mafdet und Pachet sind deine Diener, Schu und Tefnet liegen vor dir im Staub. Du bist das feurige Auge des Horus, hervorgegangen aus Schrecken, die Herrin der Furcht, groß an Kraft, aus dem Feuer des Strahlenscheines entstanden.«
Der Körper der blonden Königin begann sich in rhythmischen Wellen zu wiegen. Schließlich bäumte er sich stöhnend auf. Die Bänder hielten ihn jedoch fest auf seinem Thron.
Als ich das Udjat ihre Stirn, Brust, Bauch und Füße berühren ließ, schlug sie plötzlich die Augen auf. Sie schien mich allerdings nicht zu sehen. Mit stark geweiteten Pupillen starrte sie durch mich hindurch. Ihr Stöhnen ähnelte dabei einem indianischen Totengesang. Wehrt sich ihre Seele gegen die Vertreibung? , fragte ich mich. Empfand das eigene Ich Schmerz, wenn es den Körper verließ?
Ich blickte zum anderen Stuhl hinüber, doch dort zeugte nichts von einem inneren Kampf. Nahezu unbeweglich ruhte das Jutebündel auf der Sitzfläche. Wie ein Haufen alter Wäsche.
War Bastet überhaupt noch dort? Ich legte das Horus-Auge wieder auf den Schoß der Auserwählten und begleitete meine abschließenden Beschwörungen mit dem Gesang des Sistrums.
»Höre, o mächtige Bastet, du bist wieder auf der Erde – in diesem Körper.
Du hast Erkenntnis durch dein neues Herz,
Du hast Macht über dein neues Herz,
Du hast Macht über deine beiden Arme,
Du hast Macht über deine beiden Füße,
Du hast Macht über das, was dein Ka tut und wünscht.
Du bist zusammengefügt, bist zusammengefügt!
Du fliegst auf und schwebst nieder in diesen Körper.
Dein Auge eilt dort dahin mit deinen Schritten.
Atum hat dir deine Hände zurückgegeben,
Nachdem er sie als Hüter deines Mundes einsetzte.
Dir ist dein Mund zurückgegeben.
Dein Mund ist aufgetan von Ptah.«
Als Antwort darauf stieß die Auserwählte mehrere gellende Schreie aus. Mir war, als habe sich ihre Stimme bereits ein wenig verändert. Der Wechsel hatte bereits begonnen.
Ich atmete mehrmals tief durch und wischte mir den nicht versiegenden Schweiß von der Stirn. Die Zeremonie war weitaus Kräfte zehrender als ich vermutet hatte. Aber ich blieb den Anforderungen gewachsen. Mit unverhohlenem Stolz sprach ich die letzten, die entscheidenden Worte:
»Dein Ka, Ba, und Ach haben nun einen neuen Leib;
Miteinander vereint werden sie wieder zu lebendigem Fleisch.
Spüre die neue Sarx!
Große Bastet, Herrin der fernen Länder,
Schutzgöttin der Wüstengebirge der Toten,
Erhebe dich und
ERWACHE!!!«
Ach trat bei diesem Ausruf neben mich und hielt ihre Spinnenfinger gespreizt über das Gesicht der Pharaonin. Mit nur einer einzigen, fließenden Bewegung zerschnitt ihr zugefeilter Daumennagel die grün schimmernden Fesseln.
Die Haltung des Körpers blieb jedoch unverändert. Kein jubilierendes Aufspringen und Tanzen, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Das Gesicht war beinahe entspannt, die Augen geschlossen. Nur in den Händen, die sich verkrampft in die Löwenköpfe der Lehne gruben, zeigte sich Leben.
War die Zeremonie etwa misslungen? Konnte es sein, dass meine Beschwörungen zwar die alte Seele vertrieben hatten, die neue, göttliche aber nach wie vor im Körper der Katze gefangen war? Der Gedanke machte mich schwindelig.
Noch immer zeigte sich auf dem Thron keine Bewegung. Sah ich hier etwa einen wundervollen, aber seelenlosen Körper, eine leere Hülle ohne eigenen Verstand? Ich wollte Ach um Rat fragen, doch die Botin war bereits schon wieder verschwunden. Typisch , dachte ich frustriert, immer wenn man sie tatsächlich einmal brauchte, löste sie sich in Wohlgefallen auf. Ich legte erst einmal das Sistrum und die Pergamente zur Seite; jedes einzelne Wort darauf hatte ich vorgelesen, sie hatten ihren Zweck erfüllt. Wenn es noch einer weiteren Hilfe bedurfte, so würde ich sie sicher nicht dort finden. Meine wachsende Enttäuschung wandelte sich immer mehr in Trauer. Ich hatte versagt und Bastet damit endgültig für immer verloren.
»Ich … ich weiß nicht, was geschehen ist«, versuchte ich mich vor dem leblosen Körper zu rechtfertigen. »Aber ich habe alles so getan, wie deine Botin es mich lehrte. Nicht eine Zeile habe ich ausgelassen. Wenn … wenn etwas schief gelaufen ist, so bedaure ich dies zutiefst, aber ich begreife einfach nicht warum.« Ich konnte mich meiner Tränen kaum noch erwehren. »Warum stehst du nicht einfach auf und sprichst mit mir?«, schrie ich sie an. »Bastet,
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