SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
›Irakisches Roulette‹ (derjenige, der nicht zerfetzt wurde, hatte verloren) nannten sie ihre lieblichen Spiele für die ganze Familie.
Ich sammelte ein wenig Speichel und versuchte damit einen dösenden Käfer zu treffen. Diese ›Möchtegern-Rambos‹ besaßen wenigstens ihre Feindbilder , dachte ich. Doch auf wen sollte ich anlegen? In meinem Fall gab es keine besondere Person, die für meine Misere verantwortlich war; allerhöchstens noch mich selbst. Sollte ich mich also symbolhaft selbst zur Zielscheibe meines Zorns machen? Nein, so kam ich ganz gewiss nicht weiter. Frustriert wirbelte ich feinen Staub mit der Schuhspitze auf. Ein hellgrüner Gecko, dessen Sonnenbad ich brutal unterbrochen hatte, starrte mich strafend an und verschwand dann blitzschnell unter einer Felsplatte. Flucht ist keine Lösung, dachte ich. Sie war es nie. Ich konnte mich mit Alkohol betäuben, bis meine Leber ein wässriger, kürbisgroßer Geleesack geworden war, und nichts, rein gar nichts, würde sich ändern. Die einzige Lösung konnte nur darin bestehen, meine Beziehung zu Natascha endgültig zu klären. Keine Lügen und kein Schweigen mehr.
Wenn mir etwas an Tascha lag (und das tat es unzweifelhaft auch in diesem Augenblick), dann musste ich ihr meine wahren Gefühle offenbaren. Und vielleicht, so hoffte ich, gelang es auch ihr – trotz des neuen Körpers – sich mir gegenüber verständlich zu machen. Mit ihren besonderen Fähigkeiten und unserer gemeinsamen Anstrengung musste auch dies glücken.
Meine Haut kribbelte. Ganz unerwartet durchströmte mich so etwas wie eine neue Hoffnung. Eine gemeinsame Zukunft war wieder denkbar, allerdings …
Ein hohes, schnarrendes Rasseln unterbrach meine Gedanken. Ich erstarrte. In dieser Gegend konnte das Geräusch nur eines bedeuten: Eine Klapperschlange.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ganz versunken querfeldein marschiert war. Die Straße mochte knapp 100 Meter entfernt sein. Vorsichtig, ohne den Kopf zu bewegen, sondierte ich das nähere Umfeld. Strohige Grasbüschel, Ocotillos, Sand und Felsen. Das giftige Biest konnte sich an unzähligen Stellen versteckt halten.
Wieder ertönte das Rasseln, diesmal eindeutig von vorn. Ich kniff die Augen zusammen, konnte aber nichts entdecken. Nur mühsam gelang es mir, meine aufsteigende Furcht unter Kontrolle zu halten. Ich besaß keine Waffe, mit der ich mich verteidigen konnte, nicht einmal einen Stock. Eine äußerst dämliche Art, ins Gras zu beißen , dachte ich bitter. Ich sah mich schon, wie ich mit aufgedunsener Zunge und glasigen Augen, vielleicht sogar noch von einem Truck überfahren, im Straßengraben verweste. Ein Festmahl für Geier und Schakale.
Das Warten wurde zu einer zermürbenden Tortur. Als nach geraumer Zeit außer den ständigen Windgeräuschen nichts mehr zu hören war, ging ich zögernd einen Schritt zurück. Auch auf die Gefahr hin, dass sich der Feind mittlerweile von hinten angeschlichen hatte, musste ich versuchen, das Auto zu erreichen. Eine Stunde ungeschützt unter dieser Sonne (ich trug keinen Hut) würde mir unweigerlich einen Hitzschlag bescheren.
Sechs Schritte, sieben, acht … Nichts regte sich. Endlich wagte ich es, mich umzudrehen und sprintete so schnell es mein keuchender Atem erlaubte zur Straße.
Obwohl die Temperaturen im Wagen noch weiter angestiegen waren, genoss ich geradezu meinen aus Lava bestehenden Fahrersitz. Bevor ich die Tür zuschlug, hörte ich aber tatsächlich noch etwas, doch war es diesmal kein Rasseln. Es klang eher, als stünde nicht weit von mir ein Unbekannter, der leise lachte.
Das Lachen. Ich hörte es nur sehr kurz, doch auch damals schon meinte ich, einen vertrauten Klang darin wahrzunehmen. Mit dem lauten Zuschnappen der Tür zerstob dieser Eindruck allerdings, noch bevor er eine greifbare Form hätte annehmen können.
Das Lenkrad schien gerade den Punkt zwischen ›fest‹ und ›flüssig‹ erreicht zu haben. Um den Chevy wenden zu können, musste ich daher – in Ermangelung von Asbest-Handschuhen – drei Lagen Kleenex-Tücher um meine Finger wickeln.
So, als könnte mich die Schlange selbst jetzt noch verfolgen, raste ich mit Vollgas Richtung Stadt. Im Rückspiegel beobachtete ich zufrieden, wie die Hinterräder breite Staubwolken aufwirbelten. Nur weg von hier, dachte ich. Bei meinem letzten Blick in den Spiegel bildete der sich auflösende Staub einen seltsamen, dunklen Fleck. Es sah aus, als forme er die schmale Silhouette eines Menschen. Als ich aber den
Weitere Kostenlose Bücher