SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
durch den Schock noch gesteigerte Schmerz wurde für Deborah dadurch aber nicht geringer.
Nach einiger Zeit fiel sie schließlich in einen erlösenden Schlaf. Vorsichtig legte ich ihr ein Handtuch unter den Kopf und suchte im Arzneischrank nach Desinfektionsmitteln und Verbandszeug. Ich säuberte ihren Körper behutsam mit einem lauwarmen Waschlappen und betupfte die kleinen Risse und Schnitte mit in Jodtinktur getauchter Watte. Nur an einigen wenigen Stellen an der linken Schulter, am Oberarm und an der Wade, mussten die Verletzungen mit Pflastern versorgt werden. Sie war noch einmal glimpflich davongekommen , dachte ich, obwohl ›glimpflich‹ sicher nicht das richtige Wort für ihren Zustand war.
Ich hatte gerade das letzte Pflaster auf eine breite Kratzspur geklebt, als Deborah schlagartig wieder erwachte. Mit riesigen, unverständigen Augen starrte sie mich zwei, drei Herzschläge lang an. Dann erst setzte ihre Erinnerung ein. Ihr ganzer Körper erschauerte wie im Fieber, das Gesicht wurde zu einer Maske des Entsetzens. Während sie mich weiterhin anstarrte, stieß sie einen lang anhaltenden, gellenden Schrei aus. Deborah schrie und weinte gleichzeitig. Wieder hielt ich sie fest in meinen Armen.
»Diese Statue …«, stammelte sie abgehackt, »sie … sie wurde plötzlich lebendig. Sie … was war das, Tom? … Tom, sie wollte mich … töten!! Was war das?«
Ich drückte sie noch fester an mich. »Hab’ keine Angst mehr«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Dich hat kein Geist oder eine Statue angegriffen, es war nur eine Katze. Die Katze meiner Bekannten. Ich … ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie hat dich im Dunkeln vielleicht für einen Einbrecher gehalten, ich weiß es nicht. Tascha hat sich noch nie derart aufgeführt. Es tut mir so leid, Deb, wirklich. Es tut mir so schrecklich leid. Willst du, dass ich dich zu einem Arzt bringe?«
Deborah entwand sich meiner Umklammerung und stellte sich mit düsterem Blick vor den großen Spiegel über dem Spülbecken. Stumm betrachtete sie die notdürftig von mir behandelten Stellen. Mittlerweile waren viele der Kratzer zu weißlichen Linien mit roten Umfeldern angeschwollen. Deborah taumelte leicht; auch jetzt noch liefen ihr einige Tränen über die bebenden Lippen. Während sie sich mit einer Hand schwer auf das Becken stützte, fuhr sie sich mit der anderen durch das nun noch wilder zerzauste Haar.
»Oh, heilige Scheiße!«, stöhnte sie. »Was für ein Geschöpf hat mir das angetan? Ich … ich verstehe das … nicht.«
»Soll ich dich zu einem Arzt bringen?«, fragte ich erneut. Sie schien mich kaum wahrzunehmen. Wie eine langsame Tänzerin drehte sie ihren nackten, geschwollenen Körper in einem fort vor dem Spiegel.
»Ich … verstehe es einfach nicht«, murmelte sie wieder vor sich hin. »Eigentlich mag ich Katzen, ich bin fast ein Fan von ihnen … und … und die Tiere spüren das meist auch, aber diese hier hat versucht, mich umzubringen. Ohne jeden Grund! Ich verstehe das einfach nicht! Warum um alles in der Welt hat sie das nur getan, Tom? Was hat sie gegen mich? Verdammt, ich liebe doch diese Biester!«
Ich wollte – konnte – ihr keine Antwort auf diese Frage geben. Wie hätte sie meine Beziehung zu Tascha auch nur annähernd verstehen können? Stattdessen wiederholte ich lediglich meine kläglichen Entschuldigungsformeln: »Es tut mir so unheimlich leid, Deb. Es … es kann sich nur um eine Art von tragischer Verwechslung gehandelt haben. Tascha ist sonst kein bösartiges Tier.«
»Nicht bösartig??«, schrie sie mich an. »Und was ist das hier? Und das … und das? Und das?« Abwechselnd zeigte sie dabei auf ihre unterschiedlichsten Blessuren. »Nicht bösartig? Diese verdammte Katze hat den Teufel im Leib. Sie ist gefährlich, ein blutgieriges Monstrum. Gib’ mir einen Sack und ich ersäufe das Vieh auf der Stelle hier in der Badewanne.« Angewidert schüttelte sie sich. »Sie ist nicht normal, Tom. Ich habe ihre brennenden Augen gesehen. Diese Augen, sie sind anders als bei allen Katzen, die mir jemals begegnet sind. Es war keine Verwechslung. Ich habe genau gespürt, wie sie mich – und sonst niemanden – töten wollte. Glaub’ mir, Tom, diese Katze ist verderbt bis auf den Grund ihrer dunklen Seele.«
»Aber Deborah, jetzt übertreibst du aber«, lächelte ich schwach. »Warum sollte dich Tascha absichtlich verletzen wollen? Sie hat dir sicher einen Riesenschreck eingejagt, und ihre Krallen haben dich ganz schön
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