SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
befühlte ich meinen Rücken. Nichts. Konnte es sein, dass ich mich nach einem brennenden Schmerz sehnte? Ich zuckte zusammen. Was war es denn eigentlich, was ich erwartete? War ich schon so arrogant geworden, so fern jeglicher menschlicher Maßstäbe, dass nur noch ein Engel meinen wahnwitzigen Ansprüchen genügen konnte? Nicht gerade ein Engel, aber vielleicht ein ganz ähnliches Wesen , antwortete mir die seltsame Stimme. Die Entschlüsselung der Worte nahm ich mit in den Schlaf.
Der Grund für mein zwiespältiges Empfinden hatte stets klar vor mir gelegen. Ich hatte lediglich einen praktischen Schleier davor gezogen und weigerte mich einfach, gewisse Fakten zu akzeptieren.
Als mich eine schwache Bewegung weckte, sah ich verschwommen, wie sich Deborah leise zur Tür bewegte. Sie schaute kurz durch einen Spalt der Vorhänge und verschwand dann im Flur. Ihre nackte Kehrseite war eine cremeweiße Leinwand mit zarten, elliptischen Schatten. Sie war ähnlich schlank, jedoch etwas kleiner, ihre Hüften schmaler, knabenhafter, ihr Gesäß weniger füllig, ihre Haut heller … Als wessen Haut? , schoss es mir durch den Kopf.
Natürlich Nataschas. Da war er wieder: Ihr Name, acht Buchstaben, die sich bis an mein Lebensende fest in mein Hirn gebrannt hatten. Natascha, deren vollkommener Körper nur noch in meiner Erinnerung existierte, dort aber für mich eine beinahe greifbare Präsenz besaß. Diese Vision war das Maß aller Dinge und keine lebende Frau würde ihr jemals ebenbürtig sein, auch Deborah nicht.
Ich drehte mich auf den Rücken und starrte zur Decke. Sah so mein zukünftiges Schicksal aus? Würde ich nie mehr ungetrübte Lust oder reine Liebe empfinden können? Würde stets Nataschas Schatten über mir schweben und jede mögliche Beziehung vereiteln? Grübelnd fingerte ich nach einer Zigarette, entzündete sie umständlich und inhalierte süchtig den Rauch. Das Tabak-Teer-Gemisch brannte wie Salzsäure in meiner Lunge.
Ich genoss den Schmerz. Existierte auf dieser Welt überhaupt so etwas wie reines, ungetrübtes Glück? , fragte ich mich. Waren es nicht gerade die Schicksalsschläge, die dunklen Seiten des Lebens, die einen Menschen erst lehrten, wie wertvoll und einmalig Momente der Freude waren? Ungetrübtes, paradiesisches Glück war auf die Dauer nur ermüdend. Es stumpfte ab. Licht verlangte einfach nach Schatten.
Langsam begann sich meine Anspannung wieder zu lösen. Mit geschlossenen Augen ließ ich das Nikotin tief in mich eindringen. Mit jedem neuen Zug schwächte sich das heiße Stechen in meiner Brust etwas ab. Es gab keinen Grund zur Besorgnis; ich musste die Situation lediglich akzeptieren. Jede neue Beziehung würde stets bittere und wehmütige Erinnerungen in mir wachrufen. Aber war dies tatsächlich eine unerträgliche Bürde? Nein , gestand ich mir ein. Der seelische Schmerz konnte ja gerade die Chance bieten, die Zukunft bewusster und intensiver zu erleben. Nicht ewige Trauer und Abkapselung, sondern aktive Bewältigung und ein wieder wachsendes Selbstwertgefühl mussten die Vorsätze für mein jetziges Leben sein.
Ich nahm einen letzten Zug und zerdrückte die Kippe daraufhin am Boden. Mein Ausatmen ähnelte sehr einem schweren Seufzen. Es war mir natürlich bewusst, dass dieser Prozess Monate – wenn nicht Jahre – dauern konnte, aber das Ziel war erreichbar. Beruhigt sank ich zurück in die Kissen. Es würde nicht leicht werden , dachte ich. Nichts war jemals wirklich leicht. Aber es gab Schlimmeres, weitaus Schlimmeres. Übergangslos dämmerte ich erneut in einen angenehmen Halbschlaf.
Eine Stimme brachte mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Deborahs Stimme. Sie schien über etwas erschrocken zu sein. Ihr unartikulierter Schrei ließ meinen Oberkörper schmerzhaft hochschnellen. Wo war sie? Was war geschehen? Ich brauchte einige Sekunden, bis ich reagieren konnte.
»Deborah?«
Meine Frage schien im glitzernden Staub des Zimmers zu versickern. Während ich gespannt lauschte, gruben sich meine Finger krallenartig in die Matratze. Mein Kopf dröhnte gegen die Stille an; vergeblich versuchte ich, die immer wieder auftauchenden schwarzen Punkte vor den Augen wegzublinzeln.
»Deborah? Was ist denn los?«
Endlich erreichten meine Worte ihr Ziel. »Ohh … nichts. Alles okay, Tom«, hörte ich sie über den Gang rufen. Sie kicherte sogar ein wenig. »Es war nur eine von diesen blöden Steinskulpturen. Eine Katze. Hat mich ganz schön geschockt, das Biest. Im Dunkeln
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