SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
Rand des Daches wieder zurück unter mein Fenster.
Das Knurren, Stöhnen, und Schreien bahnte sich wie eine widerhakenbesetzte Schlange durch meine Gehörgänge. Ich musste sie stoppen. Ich musste sie vernichten, bevor sie sich zu tief in mein Gehirn hineingefressen hatte. Verzweifelt kämpfte ich gegen Bastets Macht an. Auch wenn es mir nicht möglich war, den Kopf abzuwenden, so erlangte ich immerhin eine gewisse Bewegungsfreiheit für meine Arme. Blind suchten die Finger auf dem Tisch nach einer möglichen Waffe.
Nichts. Ich fühlte dünne Blätter, zwei Kugelschreiber, Büroklammern. Doch dann umklammerte ich einen kalten, zylindrischen Gegenstand. Ohne jedes Zögern verstärkte ich meinen Griff und schleuderte das Ding auf die Katzen: eine halbvolle Dose Erdnüsse. Eine Handbreit von den kreischenden Köpfen entfernt schlug das Geschoß scheppernd auf dem Dach auf. Hellbraune Nussstücke spritzten in alle Richtungen, wie die Splitter einer Handgranate.
Der Kater bekam einen solchen Schreck, dass er vollkommen vergaß, was seine Gebieterin von ihm verlangte. Nur noch ein tiefes Keuchen ausstoßend, hetzte er in die schützende Dunkelheit. Bastet machte sich nicht die Mühe, den feigen Kavalier zurechtzuweisen. Langsam und betont graziös stellte sie sich auf alle Viere. Sie drehte sich herum und beobachtete interessiert die Straße, so als wüsste sie nichts von meiner Anwesenheit. In einer schon obszönen Weise hob sie den Schwanz und präsentierte mir ihr einladendes Hinterteil. Ich wollte ihr gerade etwas zuschreien, als sie ihren Kopf unvermittelt herumriss. Ihr Katzengesicht ließ mich meinen Fluch vergessen. Ernst und triumphierend starrte sie mich an. Voller Genugtuung.
»Du selbstgerechter Narr!« , hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf. »Als ich deine kleine Freundin vertrieb, nanntest du mich ›verrückt‹ und ›hinterhältig‹. Doch bist du etwa auch nur um einen Deut besser? Nein! Du neidest einer Kätzin eine lustvolle Liaison mit einem Kater. Hah! Deine Eifersucht ist sodomitischer als die meinige; ich bin sowohl Frau als auch Katze, du hingegen bist nur ein sterblicher, dummer Mensch. Ein törichter Mann, der sich anmaßt, die Freiheiten einer Göttin bestimmen zu wollen. Und dabei bist du es, der in meiner Schuld steht.«
Diesmal war ich mir nicht mehr sicher, ob ihre Stimme nur Einbildung oder Wirklichkeit war. Ich beugte mich über die Brüstung und schrie: »Hör auf mit diesem Theater, es reicht!! Ich habe deiner verdammten Botin längst mein Wort gegeben. Du hast gewonnen, verstehst du? Sag mir endlich, was ich tun soll. Was willst du von mir?«
»Ssssssarrrrrxssssss«, knurrte sie mich an. »Sssaaaarxsssss.« Ohne eine weitere Erklärung tänzelte sie aus meinem Sichtfeld, hinein in die anbrechende Nacht. Sarx. Ein merkwürdiges Wort. Ich erinnerte mich daran, dass Ach davon gesprochen hatte. Vom ›Sarx-Werden‹ der Göttin. Obwohl ich noch nicht die genaue Bedeutung kannte, übersetzte ich es mit ›Fleischwerden‹ oder ›Menschwerden‹.
Eine ganze Weile stand ich noch vor dem geöffneten Fenster und suchte in den Lichtern der Stadt nach einer Antwort. Wie konnte ich Bastet bei dieser Prozedur behilflich sein?
Ich lauschte. Womöglich lag in dem wellenartigen Zirpen der Zikaden ja die Lösung; für meine menschlichen Ohren war ihr Gesang allerdings ähnlich kryptisch wie das Fauchen einer göttlichen Katze.
Das Warten machte mich nervös. Die Ungewissheit. Ich wollte und konnte nicht einfach nur dasitzen und demütig dem Willen der Götter harren. Aber genau diese Opfer- oder Dienerrolle scheint dir deine Geliebte zugedacht zu haben , dachte ich.
Meine Geliebte. War sie es überhaupt noch? Nach allem, was zwischenzeitlich vorgefallen war, spürte ich eine deutliche Ernüchterung in den Gefühlen ihr gegenüber. Ihre ungeahnte Aggressivität, das Durchschimmern einer dunklen Seite, verunsicherten mich.
Ich liebte Natascha , dachte ich. Bastet war dagegen kein menschliches Wesen. Wenn man die Göttin nicht fürchtete, so konnte man ihr nur hörig sein. Man wurde zum Spielzeug, zum willenlosen Sklaven ihrer Macht. Eine gleichberechtigte Partnerschaft war auf dieser Ebene wohl illusorisch. Aber so einfach konnte und wollte ich keinen Schlussstrich ziehen. Nicht jetzt, wo sie alles zu versuchen schien, um das Tier in sich abzuschütteln. Vielleicht , so dachte ich, würde zwischen uns alles wieder so werden wie früher. Vielleicht. Vorausgesetzt, das Unmögliche
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