SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
du …?«
»Was ich brauche, ist der Körper einer Frau«, schnitt sie mir das Wort ab, »einer lebenden Frau. Und du, Thomas, wirst mir helfen, die richtige Auswahl zu treffen.«
Nur mühsam gelang es mir, meine Gedanken zu ordnen. Ich musste mich in einem Traum befinden. Nur ein Traum, sagte ich mir. Taschas Erscheinung war doch ein eindeutiges Indiz dafür; hatte Ach nicht erzählt, Bastet könne nur noch durch Träume hindurch mit mir sprechen? Ich brauchte einen Beweis.
Entschlossen drehte ich mich zum Fenster, holte kurz Luft und zielte mit der Faust auf die noch halbwegs intakte Scheibe. Das Sicherheitsglas verwandelte sich augenblicklich in ein Gespinst aus kleinsten Rissen, die strahlenförmig um meine Hand verliefen. Ansonsten geschah nichts – abgesehen von dem Schmerz, der dumpf pochend an meinen Knöcheln zerrte. Als ich sah, dass ich mir die Haut an zwei Stellen blutig abgeschürft hatte, stieg die gerade erst überwundene Übelkeit augenblicklich wieder in mir auf. Ich seufzte. Wenn ich mich hier in einem Traum befand, so war er jedenfalls hyperrealistisch.
»Warum hast du das getan?«, wollte Tascha wissen. Sie blickte mich mit wachsam alarmierten Augen an.
Ich zuckte nur schwach mit den Schultern. »Oh, nur so. Die Luft hier drin war mir zu stickig.«
Tascha betrachtete den konkaven Trichter im Fenster und musterte dann wieder mich. »Bereust du es schon, mir deine Hilfe angeboten zu haben?«, fragte sie nach einer kleinen Pause. »Willst du etwa plötzlich nicht mehr, dass ich als deine Geliebte zu dir zurückkehre?«
»Natürlich … ja!«, sagte ich. »Aber …«
»Aber?«
Angestrengt suchte ich nach den richtigen Worten. »Ich … ich hatte es mir anders vorgestellt«, stammelte ich, »irgendwie unkomplizierter. Ich dachte … nun ja, ich dachte, du … Tascha könnte irgendwie einfach wieder zu mir zurückkehren. So, wie du jetzt vor mir stehst. Durch irgendein Wunder, geheilt und wieder lebendig. Vielleicht war es ja naiv, ich geb's zu, aber jetzt sieht alles anders aus …«
»Inwiefern?« Taschas Züge verrieten deutlich ihre Anspannung.
»Du wirst jemand anderes sein, wenn du wiederkehrst, und ich weiß nicht … ich weiß nicht …«
»Ob es das gleiche sein wird wie mit Tascha?«, vollendete sie den Satz. Als Antwort senkte ich nur meinen Kopf.
»Glaubst du denn wirklich, Thomas, selbst wenn es mir gelungen wäre, in dieser Gestalt wiederzukehren, alles – wirklich alles – wäre unverändert geblieben? Siehst du mich denn heute, wo du meine wahre Natur kennst, nicht mit ganz anderen Augen? Bist du tatsächlich der Überzeugung, dieses Wissen hätte unsere Beziehung völlig unberührt gelassen? Aber eins ist falsch«, fügte sie noch hinzu, »wenn ich wiederkehre, bin ich keine andere. Ich werde immer und ewig ich selbst sein.«
Wieder einmal war es ihr binnen Sekunden gelungen, mich eine Sache aus einer völlig anderen Perspektive sehen zu lassen. Ihre Argumente waren nicht nur schlüssig, sie überzeugten mich. Auch wenn ich sie abgöttisch liebte (ein bezeichnender Vergleich!), so wäre Tascha doch nach dem Vorfall im Sherman-Park nie mehr die Frau für mich gewesen, die ich als wild-lüsterne Ägypten-Forscherin kennengelernt hatte. Ihre zweite Natur war einfach eine unleugbare Tatsache. Vielleicht, so sagte ich mir, war es daher ganz sinnvoll, wenn ich meine Beziehung zu Bastet auf einer anderen Ebene neu aufbaute. Mir schwirrte der Kopf. Da versuchte ich doch tatsächlich etwas völlig Irreales mit rationalen, logischen Mitteln zu erfassen. Wie konnte ich etwas mit Erfahrung und Verstand lösen wollen, was sich vollkommen jeglichen ›normalen‹ Denkmustern entzog?
Bastet, Ach und Tascha stellten eine Trinität dar, die keine Entsprechung in der abendländischen, christlichen Welt besaß. Sie entstammte einer fernen ›terra incognita‹, und keine Philosophie, Religion oder Wissenschaft konnte mir helfen, sie zu begreifen. Ich musste mich ganz auf meine Intuition verlassen. Eigentlich eine ganz akzeptable Grundlage. In meinem Beruf als Fotograf war ich permanent darauf angewiesen, hier allerdings war es mir zu wenig. Schließlich ging es hier auch um mehr als nur überbelichtete oder unscharfe Aufnahmen. Objektiv betrachtet ging es hier um mein Leben.
»Nun, was sagst du dazu?«, unterbrach Tascha schließlich mein Grübeln. Obwohl sie mir sicherlich viel Zeit zum Nachdenken gelassen hatte, war ich noch zu keinem Ergebnis gekommen. Unsicher wie ein
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