SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
Tascha, und genau das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Bastets Rückkehr sollte ein vollkommener Neuanfang werden, ohne Wehmut und Melancholie. Tascha war tot, und mir stand nicht der Sinn nach einer schlechten Kopie. Ich suchte einen Körper für die Gegenwart und die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit. So ergab sich schon zwangsläufig die Notwendigkeit, dass sich die ›neue‹ Bastet deutlich von der alten unterscheiden musste.
Ich war gerade bei zehn Finalistinnen angelangt, als Bastet den Raum betrat. Neben die Porträts hatte ich nun auch Aufnahmen gelegt, die die ganze Person zeigten. Falls die Hausherrin missgestimmt darüber war, dass ich die Vorauswahl ohne sie begonnen hatte, so zeigte sie mir dies jedenfalls nicht. Bedächtig wie bei einem Staatsempfang schritt sie die beiden Foto-Formationen ab. Einige Male blieb sie stehen, tapste vorsichtig auf das Bild und beschnupperte eingehend die Stirn oder die Nase eines der Mädchen. Vielleicht schaute sie sich gewisse Einzelheiten auch nur genauer an. Ich konnte ihre prüfenden Blicke nur zu gut verstehen; schließlich war sie es, die sich in einem dieser Körper wohlfühlen musste.
»Es tut mir leid«, begann ich zögernd, »aber ich war so aufgeregt, dass ich ganz vergaß, dich zu rufen.«
Bastet unterbrach kurz ihre Untersuchung und starrte mich für einige Sekunden mit geneigtem Kopf an. Ihr Blick verriet keinen Zorn, sondern eher Überraschung und Unverständnis, so als wollte sie sagen: »Heh, alles okay, Mann. Ich weiß gar nicht, worüber du dich aufregst.« Ich zuckte erleichtert mit den Schultern und ließ sie gewähren.
Bei ihrem zweiten Durchgang tapste sie plötzlich fest auf ein Bild, zog es nach vorn und drehte es dann geschickt mit einer Pfote auf die Rückseite. Nachdem sie noch ein weiteres Bild auf diese Weise markiert hatte, spähte sie ein letztes Mal in die lächelnden Gesichter und ließ sich dann neben mir am Boden nieder.
Da mir eine weitere Einschränkung des Zielkreises aufgrund des Fotomaterials schwer fiel, war die Entscheidung damit gefallen. Acht Models würden eine Einladung zu ›Probeaufnahmen‹ erhalten; bei einer direkten Gegenüberstellung ergab sich sicher bald ein deutlicheres Bild. So hoffte ich jedenfalls.
Unverzüglich ging ich daran, die Adressen durchzusehen. Glücklicherweise hatten alle Mädchen Telefonnummern angegeben, so dass ich auf den langsamen Postweg verzichten konnte. Neben dem Zeitaspekt hatte dieser Umstand noch einen weiteren Vorteil: Anrufe hinterließen keine Schriftstücke, die mich mit der Sache in Verbindung bringen konnten. Mit leichter Bestürzung stellte ich fest, wie problemlos ich die Rolle eines Kriminellen übernommen hatte. Die Sache fing sogar an, mir Spaß zu machen.
Fast alle Models wohnten im Umkreis von zwei Autostunden von Yucca Springs entfernt. Während eine direkt aus der Stadt kam, verteilten sich die anderen auf Anaheim, Glendale, Riverside und Torrance. Nur eine Bewerberin würde eine etwas längere Anreise haben; ihr Brief erreichte mich aus dem über 200 Meilen entfernten Santa Barbara.
Alles kein Problem , dachte ich. Selbst mit einem klapprigen Toyota würde sie die Strecke die I 101 und 10 hinunter in etwa 4 Stunden schaffen. Ein Katzensprung. Ich musste lächeln. Die Metapher entbehrte nicht einer gewissen Komik. Immer noch versonnen griff ich zum Telefon, um meine Anrufe zu tätigen.
»Hallo?«
»Spreche ich mit Miss. Rawlings? Ty Rawlings?«
»Ja, worum geht's?«
»Hallo, Thomas Trait hier. Ich habe gerade Ihre Bewerbung auf meine Anzeige vor mir liegen und ich würde gerne einen Termin für ein Casting mit Ihnen vereinbaren.«
»Was? Oh … wowww! Das ist ja super!«
»Wir haben heute Freitag, wäre Ihnen Montag recht, sagen wir um 9 Uhr?«
Als sie bereitwillig zustimmte, gab ich ihr meine genaue Adresse. Ich bat sie zudem, sich möglichst den ganzen Tag freizuhalten. Sollte sie das Rennen machen, wollte ich mit ihr noch am gleichen Tag genauere Details ihres zukünftigen Jobs besprechen. »Der Auftraggeber ist nämlich in Zeitnot und drängt auf einen schnellstmöglichen Start meiner Arbeit«, erläuterte ich die Eile. Der wahre Grund war natürlich ein anderer.
Sollte ich – nein – sollten wir uns tatsächlich für eines der Mädchen entscheiden können, so wollte ich nicht wieder einen Extra-Termin mit ihr vereinbaren müssen. Schnell verginge auf diese Weise eine Woche und mehr; Zeit, in der widrige Umstände meine Pläne
Weitere Kostenlose Bücher