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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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gemeißelt waren, und ihr deren Bedeutung eingeschärft. Er war ein liebender Vater gewesen, der einem blauäugigen, kleinen Mädchen düstere Geschichten erzählt hatte, und sie hatte das später mit Gabriel genauso gemacht, von Mutter zu Sohn.
    Und wenn diese Prophezeiung sich erfüllt , hatte Oscar ihr immer gesagt, wenn das alte Unrecht wiedergutgemacht ist, dann werde ich dir den nächsten Schritt zeigen.
    Kathryn hatte sich oft gefragt, welches geheime Wissen sich wohl hinter diesen Worten verbarg … Und nun würde sie das nie erfahren.
    Die Sancti waren gestürzt worden, doch als Folge davon war auch Kathryns Familie vernichtet worden: Erst war ihr Mann getötet worden, dann ihr Vater … Wer war als Nächstes dran? Gabriel saß im Gefängnis und war der Gnade von Organisationen ausgeliefert, denen Kathryn nicht vertraute. Und auch sie hatte den Priester gesehen, der vor ihrer Tür wachte, wieder ein Agent der Kirche, die ihr schon so viel genommen hatte.
    Ich werde dir den nächsten Schritt zeigen , hatte ihr Vater gesagt. Doch nun war er tot, ermordet, bevor er sein Lebenswerk hatte vollenden können, und Kathryn sah keinen ›Schritt‹, der sie vor der Gefahr hätte retten können, in der sie schwebte … oder Gabriel oder Liv.

5
    Vatikanstadt, Rom
    Clementi stürmte so schnell aus seinem Büro, wie seine füllige Gestalt es ihm erlaubte.
    »Wann sind sie angekommen?«, verlangte er zu wissen. Sein schwarzer Rock flatterte hinter ihm.
    »Vor ungefähr fünf Minuten«, antwortete Schneider und mühte sich, mit seinem Herrn Schritt zu halten.
    »Und wo sind sie jetzt?«
    »Sie sind in den Konferenzsaal im Gewölbe gebracht worden. Als ich von ihrer Ankunft erfahren habe, bin ich sofort zu Ihnen geeilt, Eminenz.«
    Clementi lief an den beiden Schweizer Gardisten vorbei und hoffte, dass Seine Heiligkeit nicht ausgerechnet jetzt herauskommen und fragen würde, warum er es so eilig hatte. Als Kardinalstaatssekretär musste Clementi eng mit dem Papst zusammenarbeiten, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne. Er musste politische Fragen mit ihm diskutieren und ihm wichtige Dokumente zur Unterschrift vorlegen. Die Akte in seiner Hand enthielt jedoch weder die Unterschrift noch das Siegel des Papstes. Tatsächlich wusste Seine Heiligkeit noch nicht einmal, was sich in der Aktenmappe befand, und Clementi hatte hart dafür gearbeitet, dass das auch so blieb.
    Er erreichte das Ende des Flurs, stürmte rasch durch die Tür und zu der schlichten Nottreppe dahinter. »Wissen wir, wer von der ›Gruppe‹ gekommen ist?«
    »Nein«, antwortete Schneider. »Der Gardist war sich nicht sicher, und ich wollte ihn nicht bedrängen. Ich hielt es für besser, in Bezug auf die Einzelheiten vage zu bleiben.«
    Clementi nickte. Er stieg in die nur schwach beleuchteten Kellergewölbe hinab und grübelte darüber nach, was ihn wohl bei dieser ungeplanten Zusammenkunft erwartete.
    Die ›Gruppe‹ war der Name, den er den drei Männern gegeben hatte, um sie zu einer Einheit zusammenzufassen. Es war ein Trick, um so etwas wie Gleichgewicht in ihrem Arrangement zu erzeugen: einer von ihm, einer von ihnen. Aber es hatte nicht funktioniert. Sie waren viel zu mächtig und unterschiedlich, als dass man sie zu einem homogenen Ganzen hätte zusammenfassen können. So sehr Clementi sich auch bemühte, sie waren noch immer genauso individuell und beeindruckend wie damals, als er an sie herangetreten war und ihnen seinen Plan erklärt hatte. Die Gruppe traf sich so unregelmäßig wie möglich und stets im Geheimen, denn das war die Natur ihres gemeinsamen Unterfangens. Angesichts des Kalibers von Leuten, die darin involviert waren, war es schon ein kleines Wunder, dass sie sich überhaupt auf einen Termin einigen konnten, und das nächste Treffen hätte eigentlich erst in einem Monat stattfinden sollen. Doch einer oder mehr von ihnen war hier – jetzt! –, unangekündigt und unerwartet, und dafür gab es nur eine mögliche Erklärung.
    »Daran ist die Situation in Trahpah schuld«, sagte Clementi, als sie eine schlichte Metalltür am ersten Absatz erreichten.
    Clementi legte seine fleischige Hand auf eine Glasplatte daneben. Ein blasser Lichtstrahl wanderte über seine Handfläche und warf Schatten auf sein Gesicht, das sich in dem polierten Metall der Tür spiegelte. Clementi wandte sich ab. Er hatte sein Äußeres schon immer gehasst. Mit seinem Mondgesicht und dem lockigen Haarkranz – einst blond, jetzt weiß – sah er wie ein

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