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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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Stand-by-Ticket nach Newark. Allerdings kostete sie das das gesamte Bargeld, das sie in dem Umschlag gefunden hatte. Sie benutzte das Geld, da sie annahm, Kreditkartenzahlungen würden überwacht. Und glücklicherweise hatte der Schalterangestellte sie nicht aus der Zeitung erkannt. So weit, so gut. Doch nun musste sie durch die Passkontrolle.
    In der Abflughalle ging es recht geschäftig zu. Es wimmelte hier nur so von Touristen, die wieder heimwollten, nachdem sie ihre Seelen gereinigt hatten. Liv schaute sich die Schlangen an und entschied sich für die längste und das nur, weil der Zollbeamte dort geradezu widerlich fett war und gleich vor Langeweile einzuschlafen schien. Er schaute sich die Leute kaum eine Sekunde lang an, und so war Liv schon deutlich entspannter, als sie an der Reihe war.
    Der Mann öffnete ihren Pass, schaute sich den Namen an und verglich ihn mit dem Ticket. Dann hob er den Blick, und sein humorloser Blick zuckte zwischen Liv und ihrem Bild hin und her. Liv nahm die Baseballkappe vom Kopf und erwiderte seinen Blick; dabei tat sie ihr Bestes, so neutral wie möglich auszusehen. Sie fühlte förmlich, wie der Blick des Mannes sie durchbohrte. Er nahm sich Zeit. Er musterte sie. So lange hatte er bisher für niemanden gebraucht. Liv rauschte das Blut in den Ohren, und eine Mischung von Stress und schlechter Aircondition trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Der Blick des Mannes wanderte weiter über ihr Gesicht und schließlich nach unten über ihren Körper. Normalerweise hätte es Liv furchtbar aufgeregt, derart begafft zu werden, doch jetzt war sie erleichtert. Der Kerl hatte also doch keinen natürlichen Instinkt für potenzielle Flüchtlinge. Er war einfach nur ein fetter, hässlicher Mann, der gerne Mädchen begaffte. Also ließ Liv ihn starren und tröstete sich mit der Tatsache, dass er sich nicht an ihr Gesicht erinnern würde, wenn man ihn später danach fragte.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit klappte er Livs Pass schließlich wieder zu und legte ihn auf den Tresen. Liv schnappte ihn sich, marschierte los und fummelte unbewusst an den Knöpfen ihrer Bluse herum. Kurz darauf stand sie in der Schlange zur letzten Sicherheitsüberprüfung. Inzwischen atmete sie schon ein wenig leichter. Sie hatte es fast geschafft. Die Schlange bewegte sich vorwärts, und sie entspannte sich mehr und mehr. Dann ließ ein lauter Knall am Kopf der Schlange ihr Herz erneut rasen.
    Liv riss den Kopf hoch. Sie fürchtete den fetten Zollbeamten zu sehen, wie er umringt von Polizisten den schmierigen Finger auf sie richtete. Doch stattdessen sah sie eine hochschwangere Frau in einer Burka. Sie hatte ihr Plastiktablett fallen lassen und versuchte nun mühsam, alles wieder einzusammeln, während über ihr ein Mann stand und sie wütend auf Arabisch anbrüllte.
    Dann schlug er sie mit dem Handrücken, hart und gezielt. Der Kopf der Frau wurde von der Wucht herumgerissen, doch sofort machte sie sich wieder daran, alles einzusammeln. Es war, als sei sie es nicht anders gewöhnt.
    Liv wusste nicht warum, aber irgendetwas geschah mit ihr. Es war, als breche sich plötzlich tief in ihr etwas nach oben Bahn. Sie fühlte, wie es sie durchströmte, wie es sie fast abheben ließ, und es brachte ein Flüstern mit, das ihren ganzen Kopf erfüllte. Und dieses Flüstern wurde immer lauter und lauter und schwoll schließlich zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an. Dann hörte sie etwas anderes … etwas im Zentrum von alledem.
    Ein Wort.
    KuShiKaam.
    Sie war wie benommen, und alles lief nur noch wie in Zeitlupe. Irgendwie entrückt beobachtete sie, wie ein Beamter die Hand auf den Arm des Mannes legte, der gerade seine Frau geschlagen hatte, tadelnd, aber nicht wütend. Die Frau auf dem Boden sammelte weiter ihre Sachen ein und legte sie wieder aufs Tablett. Das alles war so unglaublich seltsam, dass sich Livs Wut rasch wieder in Luft auflöste; das Flüstern wurde wieder leiser, und das Wort verschwand aus ihrem Kopf. Wieder in der Realität kramte Liv sofort in ihrer Tasche nach einem Stift. Wenn sie es nicht aufschrieb, fürchtete sie, das Wort in einem Teil ihres Bewusstseins zu verlieren, wo ihr Verstand nicht folgen konnte. Schließlich fand sie einen Stift, und da sie kein Papier zur Hand hatte, kritzelte sie es auf ihren Handteller. Doch was sie schrieb, war nicht die phonetische Entsprechung des Wortes. Der Stift entwickelte ein Eigenleben, und Liv schrieb eine Reihe seltsamer Symbole, die ihr vollkommen unbekannt

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