Sacramentum
stank es hier auch schlimmer als in der Umkleidekabine einer Studentenbruderschaft.
»Lassen Sie mich mal sehen«, sagte Dr. Harzan.
Hyde gab ihm das Bündel und schaute zu, wie Harzan es öffnete. Seine Augen leuchteten wie die eines Junkies, der eine Portion Crack auspackt. Doch als er sah, was Hyde ihm gebracht hatte, fiel sein Gesicht förmlich in sich zusammen.
»Das ist nicht, was man uns versprochen hat«, erklärte er. »Dieses Stück ist viel zu neu, als dass es von Interesse wäre.« Er hielt es Hyde unter die Nase, als wäre er ein dummer Student, der gerade einen Test in den Sand gesetzt hatte. »Das ist Akkadisch, keine Proto-Keilschrift, und die Symbole bilden kein Ta u.«
»Ich sollte ein Artefakt kaufen«, sagte Hyde und schluckte seinen Ärger runter. »Und das habe ich auch getan.«
»Und Sie haben das falsche gekauft. Das hier nützt uns nichts.« Harzan warf es auf den Tisch und wandte sich ab. »Machen Sie sich lieber nützlich: Einer der Fahrer ist dabei erwischt worden, wie er Benzin gestohlen und an Beduinen verkauft hat. Er ist weggesperrt. Kümmern Sie sich um ihn. Das entspricht wohl eher Ihren Fähigkeiten. Und schließen Sie die Tür hinter sich.«
Hyde marschierte über den knochentrockenen Boden zum größten Wachturm, der in der Anlage auch als Gefängnis diente. Schweiß lief ihm über die Stirn, und sein Blut kochte. Der Geist hatte ihm wertlose Steine angedreht, und nun stand er als Idiot da. Er griff nach der Tür des Turms und stieß sie auf.
»Aufmachen«, knurrte Hyde und nickte zu der verschlossenen Zellentür im Fundament des Turms. Der Wachmann gehorchte.
In der Zelle lag ein gut zwanzigjähriger Iraki auf einem Brett, das als Pritsche diente.
»Nehmen Sie seine Hand, und drücken Sie sie flach aufs Bett«, befahl Hyde. Er wollte mit diesem erbärmlichen Dieb keine Zeit verschwenden; er hatte Wichtigeres zu tun. Der Wachmann tat, wie ihm geheißen. Hyde zog das Messer aus seinem Gürtel und rammte es zwischen zwei Finger des Gefangenen. Der Mann wimmerte und starrte die Klinge mit weit aufgerissenen Augen an.
»Du hast die Firma bestohlen, ja?«
»Nein«, widersprach der verängstigte Mann in flehendem Ton.
»Du hast die Firma bestohlen«, wiederholte Hyde, »und Diebstahl können wir nicht tolerieren.« Mit einer schnellen Bewegung drückte er das Messer runter und schnitt dem Mann den kleinen Finger ab.
Der Gefangene schrie. Blut strömte aus der Wunde, und fast sofort schwamm der abgeschnittene Finger in einer roten Lache.
»Wenn du noch mal stiehlst, ist deine Hand dran«, sagte Hyde. »Versuch wegzulaufen, und es kostet dich das Leben.« Er drehte sich zu dem Wachmann um, der genauso schockiert dreinblickte wie der Gefangene. »Machen Sie ihn sauber, und dann schicken Sie ihn wieder zur Arbeit.« Hyde ging wieder in die Hitze hinaus und wischte das Messer an der Hose ab.
Zurück in seinem Büro riss er die Schreibtischschublade auf und holte die Zeitung heraus. Dann nahm er das Satellitentelefon von der Ladestation und wählte die Nummer, die unter den Fotos der drei Überlebenden aus der Zitadelle stand. Am liebsten hätte er auch dem Geist die Finger abgehackt … Nein, am liebsten hätte er ihn langsam und genüsslich gefoltert, so wie man es den Black Ops beibrachte, um dem Feind Angst einzujagen.
Es klingelte. Niemand hob ab.
Der Geist hatte es schon wieder mit ihm gemacht.
26
Provinz Al Anbar, im Westen des Iraks
Der Abend brach an, doch die Hitze des Tages war an den Rändern der Syrischen Wüste gefangen. Es war, als hätte die gnadenlose Sonne sie in den felsigen Untergrund gebrannt, und nun strahlte sie wieder nach oben. Es fiel schwer zu glauben, dass irgendjemand in diesem Glutofen überleben konnte, in dieser Mondlandschaft; doch irgendwie schafften die Gräser es, sich in Erdspalten festzukrallen, und Dornenbüsche nutzten jeden noch so kleinen Schatten – und die Ziegen fraßen das alles.
Der Geist verfügte über ein großes Netzwerk von Männern, anderen Fedaijin , die das Land und sein Volk sowohl vor der Gewalt von Diktatoren als auch der von fremden Eindringlingen zu beschützen suchten. Der Geist hatte eine Nachricht über die Ziegenpfade westlich von Ramadi geschickt und gefragt, ob irgendjemand etwas über einen Mann wisse, der eine rote Kappe mit dem Logo eines englischen Fußballvereins trug. Er war nicht schwer zu finden gewesen. Der Mann hieß Ahmar; das war das arabische Wort für ›Rot‹.
Als der Geist ihn fand,
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