Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
Vom Netzwerk:
häufiger genutzt, um Reportagen aus schwierigen Gebieten zu übertragen. Liv öffnete die Anwendung und kopierte Gabriels Skype-ID hinein. Dann rief sie ihn darüber an.

57
    Die Empfangsdame blickte zu dem Mann in dem zerknitterten Anzug hinauf, der auf sie zuschlurfte, und sie setzte ihr Standardlächeln auf.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Nun ja, Sie könnten mal mit meinem Boss reden und ihm sagen, dass diese Nachtflüge mich noch umbringen.« Er ließ seine Reisetasche auf den Boden fallen, stützte sich auf den Tresen und schaute auf den Computermonitor.
    »Haben Sie reserviert, Sir?«, fragte die Frau.
    Dick atmete tief ein und langsam wieder aus, als wäre er todmüde. »Nein, ich fürchte nicht. Allerdings muss ich heute Vormittag vor Gericht erscheinen, nachdem ich auf dem Flug von London kein Auge zugemacht habe. Ich muss mich einfach mal ein, zwei Stunden hinlegen, sonst werde ich meinem Mandanten kaum nützen. Ich bin wirklich fix und fertig.«
    Er gab der Frau seinen Pass und eine Kreditkarte, die auf den gleichen falschen Namen ausgestellt war.
    »Dann wollen wir doch mal sehen, was wir für Sie tun können, Sir«, sagte die Frau, nahm die Dokumente und tippte auf ihrer Tastatur.
    »Ich brauche nichts Besonderes«, sagte Dick und rieb sich mit den Handballen die Augen. »Nur einen einfachen Raum, wo ich nicht vom Verkehr oder den anderen Gästen auf dem Weg zum Frühstück geweckt werde.« Die Frau tippte weiter. Dick beugte sich verschwörerisch über den Tresen, der unter seinem Gewicht knarrte. »Ein Anwaltskollege von mir hat erzählt, dass man bei großen Prozessen manchmal Zeugen oder Geschworene hier unterbringt. Ich wette, die Zimmer sind nett und abgelegen. Eines davon wäre perfekt.«
    Die Frau beendete ihre Tipperei, drückte die Entertaste, nahm eine Schlüsselkarte und steckte sie in einen Umschlag. »Zimmer 722«, sagte sie und schrieb die Nummer auf den Umschlag. »Nehmen Sie den Aufzug in den siebten Stock. Es liegt rechts am Ende des Flurs. Brauchen Sie Hilfe mit dem Gepäck?«
    Dick nahm die Kreditkarte, den Pass und den Umschlag und zwinkerte der Frau zu. »Nein, danke«, sagte er. Dann schnappte er sich seine Tasche und machte sich auf den Weg durch die Lobby. »Sie haben mir schon genug geholfen.«

58
    Das schnelle Piepen des Wähltons drang aus den Lautsprechern von Livs Laptop. Sie stand noch immer unter Schock von der Flut der Erinnerungen, die der übersetzte Text in ihr wachgerufen hatte. Obwohl sie normalerweise der rationalste Mensch war, den man sich vorstellen konnte, ergab das Ganze sogar irgendwie Sinn. Es erklärte, warum sie plötzlich eine uralte Sprache lesen und verstehen konnte, von der sie bis dato noch nicht einmal gehört hatte. Und es erklärte, warum sie jedes Mal dieses komische Gefühl auf der Haut hatte, wenn das Flüstern in ihrem Kopf begann. Aber es erklärte nicht, was ›Der Schlüssel‹ war, oder was das mit ihr zu tun hatte. Der Wählton wich einem Klingeln. Liv räusperte sich und straffte die Schultern. Plötzlich war sie nervös, Gabriel wiederzusehen.
    Auf dem Bildschirm erschien das niedrig aufgelöste Feed von Livs Webcam. Dank der schlechten Bildqualität sah sie noch abgerissener aus als ohnehin schon. Sie zupfte sich das Haar zurecht und rieb sich die dunklen Ringe unter den Augen. Kurz dachte sie darüber nach, die Verbindung erst einmal wieder zu kappen, um sich noch ein wenig besser zurechtzumachen, doch dann endete das Klingeln, und ein Fenster mit dem eingehenden Feed ging auf.
    Gabriels Stimme war als Erstes zu hören. Sie klang viel voller als am Telefon und genauso tief, wie Liv sie in Erinnerung hatte.
    »Liv? Hörst du mich?« Und dann war er da und schaute sie an, die Stirn sorgenvoll in Falten gelegt und mit brennenden blauen Augen. Liv streckte unwillkürlich die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren. »Hey«, sagte sie.
    Ein Lächeln erschien auf Gabriels Gesicht, und auch er streckte die Hand aus. Es war das erste Mal, dass sie sich sahen, nachdem die türkische Polizei sie getrennt und er ihr gesagt hatte, sie solle an einen sicheren Ort fliehen; er werde sie schon finden. Und nun hatte er sein Versprechen erfüllt, auch wenn das nicht das Wiedersehen war, das sie sich vorgestellt hatten.
    »Ich muss dir etwas zeigen«, sagte Liv und griff nach dem Blatt Papier, das sie in dem Umschlag gefunden hatte. »Das hat mir der Mönch gegeben, der uns bei der Flucht aus dem Berg geholfen hat. Sag mir, wenn du das nicht

Weitere Kostenlose Bücher