Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
Vom Netzwerk:
der Flucht geholfen, und er bot ihnen noch immer seine Hilfe an. Liv drehte das Blatt noch einmal um und starrte die verschmierten Symbole an, die ihr fremd und vertraut zugleich vorkamen. Der Text war so angeordnet, dass er ein auf dem Kopf stehendes T formte. Es war das längste Beispiel der verlorenen Sprache, das Liv je gesehen hatte … länger als jeder Text, der in dem Buch abgebildet war.
    Als sie den Blick über die Symbole wandern ließ, wurde das Flüstern in ihrem Kopf wieder lauter, und sie bekam eine Gänsehaut. Inzwischen war sie schon viel zu lange aus dem Krankenhaus, als dass sie dieses Gefühl auf irgendwelche Medikamente schieben konnte. Was auch immer der Grund dafür war, mit Chemie hatte das nichts zu tun. Es musste eine psychologische Ursache haben, etwas, worüber nachzudenken Liv noch nicht bereit war.
    Sie legte das Blatt Papier auf den Tisch und konzentrierte sich wieder auf die Symbole. Beinahe sofort war das Flüstern wieder da, und es wurde immer lauter, je mehr Liv sich konzentrierte. Es übertönte das Rauschen des Verkehrs draußen und füllte ihren Kopf. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, als würde ihre Haut von unzähligen, winzigen Nadeln durchbohrt. Liv beschloss, das einfach zu ertragen – sie musste , wenn sie endlich eine Antwort finden wollte.
    Schließlich nahm das Flüstern Gestalt an, wurde zu einer Stimme in ihrem Kopf, und die Symbole veränderten sich vor ihren Augen und enthüllten Worte, die alles erklärten …

55
    Dick beobachtete das Hotel von der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite aus. In seinem zerknitterten Anzug passte er perfekt zu den Pendlern, die so früh am Morgen bereits unterwegs waren. Vor einer Weile war der Cop wieder weggefahren – allein. Wenn er wirklich der Freund des Mädchens war, dann war das nicht gerade eine leidenschaftliche Romanze. Ein rascher Anruf im Hotel hatte bestätigt, dass Liv Adamsen dort untergekommen war, wenn auch nicht offiziell.
    Die Tatsache, dass der Cop sie einfach so unter einem falschen Namen hatte anmelden können, war typisch für das existierende System, das jeder kannte, worüber aber niemand sprach. Aus der Tatsache, dass das Hotel sich nur einen Block vom Gericht entfernt befand, schloss Dick, dass es sich um ein Safehouse handeln musste. Normalerweise wäre das ein großes Problem gewesen – Safehouses waren extra dafür designed, Leute wie ihn draußen zu halten –, doch vor der Tür parkte kein Streifenwagen, und in den Gängen waren vermutlich auch keine Wachen stationiert, die vor lauter Kaffee einen nervösen Zeigefinger hatten. Das Mädchen tröstete sich vielleicht mit dem Gefühl der Sicherheit, das dieser Ort ihr vermittelte, aber es war nur eine Illusion.
    Dick mochte diese Art von Beschattung, das kühle Abwägen jedweder Information, bevor es zur Sache ging. Ein weiterer Bus kam, und ein Haufen Fabrikzombies stieg schlurfend ein und ließ Dick allein an der Haltestelle zurück. Es war um diese Zeit noch nicht wirklich hell, und Dick schaute zu, wie in dem Hotel die ersten Lichter angingen. Sonderlich voll schien es nicht zu sein.
    Plötzlich zirpte sein Handy in der Tasche zum Zeichen, dass er eine neue Mail bekommen hatte. Dick klappte es auf und sah zwei Worte, die er normalerweise genoss, doch in diesem Fall schmeckten sie ein wenig sauer.
    Schwei-gen.
    So-fort.
    Dick löschte die Mail und ging zum Hoteleingang, wobei er das Aussehen eines müden Geschäftsmanns annahm, der eine billige Bleibe suchte.
    Wieder einmal hatte er keine Zeit. Heutzutage hatte es einfach jeder eilig.

56
    Liv schnappte sich ihr Notizbuch und schrieb so schnell wie möglich die Worte nieder, die sie in ihrem Kopf hörte, denn sie vertraute ihrem Gedächtnis nicht. Doch noch während sie schrieb, fiel es ihr immer schwerer, einzelne Worte genau zu benennen oder gar zu verstehen; die Bedeutung entglitt ihr wie das Flüstern in ihrem Kopf auch. Es war, als wäre das, was die Symbole ausdrücken wollten, viel zu schwer zu fassen und zu nebulös, als dass man es in Worte hätte packen können. Als sie fertig war, sackte Liv auf dem Stuhl zusammen und atmete erst einmal tief durch, bis das Flüstern endgültig verklungen und sie wieder ganz sie selbst war. Dann stand sie auf, wankte ins Badezimmer und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Erst dann kehrte sie wieder an den Tisch zurück, um zu lesen, was sie geschrieben hatte.
    Sie haben sie also schwach gehalten.
    Das Licht Gottes, eingesperrt in der

Weitere Kostenlose Bücher