Saeculum
brauchte seine ganze Zurückhaltung, um nicht zu schreien oder den bellenden Köter zu erwürgen. »Ich versuche nur, ihm zu helfen. Er muss sich die Platzwunde wieder aufgerissen haben, siehst du? Das muss man abwischen und einen neuen Verband anlegen.«
»Aber nicht du!« Gleich würde sie sich bekreuzigen. Bastian grub sich die Fingernägel in die Handflächen.
»Du bringst uns nur Unglück. Ohne dich wären wir nicht hier gelandet und Arno wäre gesund!«
Ganz ruhig bleiben, ganz ruhig. »Das glaubst du wirklich?«
Sie antwortete nicht, sondern beruhigte erst Roderick und widmete dann ihre ganze Aufmerksamkeit Arno.
»Sie spinnt«, sagte Bastian verbittert, als er sich wieder neben Iris setzte. Ihre Hände glitten von den Saiten.
»Nein. Sie kann nur keinen Gefallen mehr von dir annehmen. Je netter du bist, desto schwerer machst du es ihnen, dich zu opfern. Es wäre viel leichter für sie, wenn du ein Arsch-«
»Gib das sofort wieder her!« Ein Klatschen, ein Poltern. »Das ist meiner!«
»Jetzt nicht mehr.« Ralf hatte Monas Trinkbeutel an sich gerissen, nun versuchte er, ihn zu öffnen und sich gleichzeitig Mona vom Leib zu halten, die nach ihm schlug und kratzte.
»Wenn du deinen Vorrat schon ausgesoffen hast, ist das dein Problem!«, schrie sie.
»Ach ja? Fühlt sich gar nicht so an.« Er schraubte die Lederflasche auf und nahm einen tiefen Schluck. Im nächsten Moment sprang er zur Seite, da Mona mit ihrem Knie auf seinen Schritt zielte.
»Blöde Kuh!«
Sie riss ihm die Flasche aus der Hand. »Mach das noch einmal und ich schlag dir den Schädel ein«, zischte sie.
Ralf zog sich an seinen Platz am Feuer zurück, gekünstelt lachend und betont cool. »Was die Alte für einen Aufstand macht«, rief er.
Iris nahm ihr Harfenspiel wieder auf, spann ein Netz aus sanften, beruhigenden Klängen durch den Burgkeller.
»Wir sind nur zwei Mahlzeiten vom Barbarentum entfernt, habe ich einmal gelesen«, sagte sie. »Zwei Mahlzeiten, die wir nicht bekommen, und schon sind wir bereit, uns gegenseitig mit Keulen die Köpfe einzuschlagen. Bei Wasser dürfte es noch schneller so weit sein.« Sie spielte einen raschen Lauf, der an das Plätschern einer Quelle erinnerte.
Allmählich ließ die Anspannung, die in der Luft gelegen hatte, nach und wurde von einer Art erschöpfter Ruhe abgelöst. Die Gespräche verebbten, Alma, Ralf und Nathan legten sich auf den Boden und dösten wenig später. Nachdem auch Lisbeth eingeschlafen war, machte Georg sich ein weiteres Mal auf, um jeden Winkel des Kellersystems zu durchsuchen. Iris legte die Harfe beiseite. Lehnte sich an Bastians Schulter und schloss die Augen.
Dämmerstimmung. Die Müdigkeit der anderen ließ Bastian seine eigene spüren. Nur dass er es nicht wagte, ihr nachzugeben. Paul dagegen schlief, endlich; Iris und Steinchen ebenfalls. Beinahe kehrte Frieden ein. Der Hund schnarchte leise und gleichmäßig, sein schmaler Brustkorb hob und senkte sich, hob und senkte, hob »Psssst!«
Der Laut fuhr wie ein Nadelstich durch Bastians Bewusstsein, ließ ihn zusammenschrecken.
Neben ihm kauerte Georg und hielt eine Fackel in der rechten Hand, der Zeigefinger der linken lag auf seinen Lippen. »Leise, lass Paul schlafen. Kannst du dir mal etwas ansehen?« Sein Flüstern war kaum mehr als ein Hauch. »Ich glaube, ich habe in dem verschütteten Durchgang links eine kleine Öffnung entdeckt. Nicht groß genug, leider, aber vielleicht kann man etwas daraus machen. Wenn ich recht habe, wecken wir die anderen, aber erst will ich sicher sein.« Er erhob sich und winkte Bastian ungeduldig hoch. »Dich sollte das besonders freuen, so wie die Dinge stehen.«
Die neu erwachte Hoffnung, die er in Georgs Gesicht lesen konnte, sprang auf Bastian über. Eine Öffnung! Wenn das stimmte, war es die beste Nachricht seit Langem. Dann waren die Erdmassen zumindest an einer Stelle so beschaffen, dass man sich vielleicht mit den Händen hindurchgraben konnte.
Er stand vorsichtig auf, bedacht darauf, keinen der anderen zu wecken, und folgte Georg, der mit der Fackel voranging, in den Korridor.
»Dort vorne, etwas höher als dein Kopf«, erklärte Georg. »Wenn man die richtige Stelle findet, kann man den Luftzug an der Fackel erkennen.« Sie waren fast bei dem alles versperrenden Hindernis angelangt. »Nimm sie und versuch es selbst.« Georg drückte Bastian die Fackel in die Hand. »Dort oben. Nein, weiter rechts.«
Bastian hielt die Flamme nah an den Erdwall, bewegte sie vorsichtig
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