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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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schon passende Steine in petto?«
    Es war ihnen unangenehm, keine Frage. Aber sie waren nicht mehr so verzweifelt wie noch kurz zuvor. Weil sie jetzt glauben, dass es einen Weg hinaus gibt. Selbst wenn er über meine Leiche führt.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte Paul sich vor Bastian hin. »Ich wusste nicht, was für ein skrupelloser Haufen ihr seid. Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir es auch so. Ich verstehe gut, dass ihr Angst habt, aber wir sind doch keine Tiere!«
    Ralf schüttelte heftig den Kopf. »Nein, wir schaffen es nicht! Schon gar nicht, wenn wir länger warten. Jetzt sind wir noch stark genug, um notfalls ein wenig zu klettern und um Arno zu tragen, aber in ein paar Tagen wird das ganz anders sein.«
    »Er hat recht, wir brauchen bald eine Lösung«, sagte Georg. Er sah Bastian nicht an, das tat fast keiner von ihnen. Kein Augenkontakt mit dem Opfer. Bastian fühlte schon wieder, wie ein Lachen seine Kehle hinaufkam.
    Paul trat einen drohenden Schritt vor. »Niemand rührt Bastian an. Außer er hat Lust, sich von mir das Genick brechen zu lassen.«
    Die anderen wechselten schnelle Blicke untereinander - erinnerten plötzlich an ein jagendes Rudel, das sich wortlos verständigte.
    »Darf ich einfach mal fragen, ob ihr wahnsinnig geworden seid?« Iris stieß Georg so fest gegen die Brust, dass er fast in die Feuerstelle taumelte. »Dass Doro einen Hau hat, ist nichts Neues, aber euch anderen müsste doch klar sein, dass dieser Quatsch mit dem Fluch nicht ernst zu nehmen ist!«
    »Aber was, wenn er doch existiert?«, fragte Mona, ohne aufzublicken. »Wenn es keinen anderen Ausweg gibt als den, den Tristram uns zeigt?«
    »Tristram existiert nicht!«, schrie Iris. »Wenn es ihn je gegeben hat, ist er seit siebenhundert Jahren tot! Er dichtet nicht mehr! Er kritzelt keine Nachrichten auf Rindenstücke! Aber seinetwegen überlegt ihr euch ernsthaft, Bastian umzubringen? Seid ihr irre?«
    Sie hatte einen Nerv getroffen, das sah man an der Art, wie einer nach dem anderen die Augen abwandte. Sofort setzte Iris nach. »Denn das ist euch doch klar, dass ihr ihn töten müsst, nicht? Jedenfalls wenn ihr tun wollt, was dieses Gerippe da drüben angeblich von euch verlangt. Also, wer macht es? Henker bitte vortreten!«
    Keiner antwortete. Nur Georg hielt Iris' Blick trotzig stand und zuckte mit den Schultern.
    »Wenn ich es wäre, auf die der Spruch hinweist«, sagte Doro bedächtig, »dann würde ich mein Wohl freiwillig für das der Gruppe opfern.«
    Alma nickte eifrig, Ralf ebenso.
    »Ja, sicher.« Pauls Stimme war dunkel vor Verachtung. »Das sagt sich unglaublich leicht, wenn es einen selbst nicht betrifft. Ihr seid zum Kotzen.« Er winkte Bastian und Iris in eine Ecke, die weiter vom Feuer entfernt war, doch Iris folgte ihnen nicht. Es war ihr deutlich anzusehen, wie sehr sie mit sich kämpfte.
    »Hört mir mal zu«, sagte sie. Ihre Hände spielten nervös mit einem losen Faden an ihrer Bluse. »Es ist völlig verrückt, einen Fluch für das verantwortlich zu machen, was hier geschieht. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass ein Mensch dahintersteckt.« Der Faden riss. Mit einer fahrigen Geste strich Iris sich eine ihrer längeren Haarsträhnen hinters Ohr und räusperte sich. »Aber nicht nur das. Ich bin mir ziemlich sicher, ich weiß, wer es ist.«
    Doro verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach. Wer denn?«
    »Sein Name ist Simon. Er ist hinter mir her, schon seit mehr als einem halben Jahr. Wie es aussieht, ist er mir gefolgt und macht jetzt Terror.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem gezwungenen Lächeln. »Das ist es, was er am liebsten macht.«
    »Ach, und das fällt dir ausgerechnet jetzt ein? Ist ja sehr praktisch.«
    Iris zuckte mit den Schultern. »Ich konnte eben nicht glauben, dass er weiß, wo ich bin. Wollte es nicht wahrhaben. Weil mir schon übel wird, wenn ich seinen Namen nur ausspreche.«
    Sie flüsterten, mit zusammengesteckten Köpfen.
    »Hast du ihn denn hier gesehen?«, rief Carina.
    »Nein. Aber der zweite Spruch, den wir gefunden haben - ›Ich weiß, wer dir folgt, und ich weiß, wen du fliehst‹ -, da ging es um ihn. Sicher. Er will, dass ich mich beobachtet fühle, jede Sekunde. Dass ich Angst habe.«
    Ralf grunzte, es sollte wohl wie ein hämisches Lachen klingen. »Warum sollen wir dir das glauben? Dieses Märchen würde deinem Bastian den Arsch retten. Von diesem Simon hören wir jetzt das erste Mal. Ausgerechnet dann, wenn es dir in den Kram passt.«

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