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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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waren Menschen dieser Zeit, diese Regeln wären ihnen ebenfalls vertraut. Seid ihr da meiner Meinung?«
    Misstrauen funkelte in Doros Augen. »Worauf willst du hinaus?«
    Paul lächelte noch immer. »Wir können uns nicht einigen. Ihr glaubt, unsere Rettung liegt in Bastians Tod, weil damit der Fluch aufgehoben wäre. Ich, Bastian, Steinchen und Iris denken, dass der Fluch nicht existiert und es daher völlig sinnlos wäre, Bastian umzubringen.« Er sah in die Runde. »Keiner kann den anderen überzeugen, wie es aussieht. Daher«, jetzt glitt sein Blick wieder zu Doro, »könnten wir etwas tun, das dir sehr gefallen müsste.«
    Sie wirkte überrascht. »Mir?«
    »Ja. Wir lassen das Schicksal sprechen, wie es unsere Vorväter in ähnlichen Situationen auch getan haben. Wir führen ein Ordal durch. Ein Gottesurteil.«
    Bastian schnappte nach Luft. Hatte er das richtig verstanden? Sollte sein Leben davon abhängen, auf welche Seite eine Münze fiel oder ob jemand einen kürzeren Strohhalm zog?
    »Nein, auf keinen Fall«, warf er ein, doch Paul packte ihn hart am Oberarm.
    »Verlass dich auf mich«, sagte er. »Bitte.«
    Doro seufzte. »Wozu soll das gut sein? Erst glaubst du nicht an das Schicksal, aber dann willst du es befragen? Warum?«
    »Ihr glaubt doch daran«, erwiderte Paul. »Das heißt aber auch, dass ihr euch seinem Willen dann beugen müsst.«
    Lisbeth war, wie es schien, von der Idee angetan. »Es wird nur schwierig werden, weil uns die wichtigsten Utensilien fehlen«, meinte sie. »Für eine Wasserprobe bräuchten wir einen Fluss oder See. Bei der Feuerprobe muss man tagelang warten, ob die Wunden eitern.«
    Wunden? »Was soll das heißen?«, rief Bastian. Seine Stimme klang scharf, das hörte er selbst, doch er hatte genug davon, hier rumzustehen wie Schlachtvieh und die anderen über sein Leben oder Sterben diskutieren zu lassen. Nein, Sterben kam nicht infrage. Notfalls würde er sich mit Zähnen und bloßen Händen verteidigen.
    »Und die Feuerprobe läuft meist nicht ohne schwere Verbrennungen ab«, erklärte Lisbeth mit bedauernder Miene.
    »Was heißt Feuerprobe? Wovon redet ihr überhaupt?«
    »Mittelalterliche Gottesurteile. Der Beklagte wurde gefesselt ins Wasser geworfen - wenn er unterging, war er unschuldig und wurde gerettet. Bei der Feuerprobe musste er ein glühendes Eisen zehn Meter weit tragen oder eine Hand ins Feuer halten. Wenn die Brandwunden eiterten, war er schuldig.«
    Die Flammen des Lagerfeuers zu Bastians Füßen wirkten mit einem Mal bedrohlich.
    »Das ist krank!«, schrie er. »Völlig schwachsinnig! Ob eine Wunde eitert, hängt davon ab, ob sie bakteriell verunreinigt ist, von nichts anderem!« Er sah, wie Lisbeth zurückwich.
    »Es war Pauls Vorschlag, nicht meiner«, murmelte sie.
    »Kann ja sein, aber da mache ich nicht mit.« Bastian wollte sich umdrehen, doch wieder hielt Pauls Griff ihn an Ort und Stelle.
    »Es wird keine Feuerprobe und auch keine Wasserprobe sein«, erklärte er. »Wir werden die Sache in einem Zweikampf entscheiden. Das passt auch viel besser zu unserem Fall, denn es geht ja nicht darum, ob Bastian unschuldig ist.« Wieder verhärtete sich Pauls Gesicht. »Dass er das ist, wissen wir schließlich alle, oder?«
    Ein Zweikampf. Bastian war kurz davor, Paul an den Schultern zu packen und zu schütteln. Er konnte nicht kämpfen, hatte es nie gelernt - ein paar harmlose Raufereien auf dem Schulhof waren alles, was er an Erfahrung aufbieten konnte.
    »Ich mache nicht mit«, erklärte er. »Völlig egal, welche Waffen euch vorschweben, ich kann mit keiner davon umgehen.« Plötzlich hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Am liebsten hätte er gegen die massiven Mauern getreten, sich dagegengeworfen, sie zum Einsturz gebracht, um hier rauszukommen und dann zu rennen, egal wohin. Nur weg von all diesem Irrsinn. Von den lichtlosen, kalten Tunneln, den Schutthaufen, den Überresten ermordeter Menschen.
    Paul schien seine aufkeimende Panik zu spüren. »Ganz ruhig«, sagte er. »Du sollst nicht kämpfen. Das werde ich tun.«

    Lächelnd schüttelte Doro den Kopf. »Ich finde es sehr edel, was du versuchst, Paul. Aber wir wissen doch schon alles. Tristram hat uns genau gesagt, was er verlangt. Wieso denkst du, dass ein Ordal etwas anderes ergeben wird? Du kannst den Kampf nicht gewinnen.«
    »Ich werde ihn gewinnen.« Paul hob sein Schwert und streckte es der Gruppe am Feuer entgegen. »Ich trete ein für Bastian Steffenberg, meinen Bruder. Ich werde

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