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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Lufthauch.
    Es war ein enger Schacht, den sie über eine Wendeltreppe abwärtsstiegen, die sich zweimal um ihre eigene Achse drehte, bevor sie sie wieder auf sicheren Grund entließ. Paul hob die Fackel über seinen Kopf.
    Felsen und Erde. Ein unterirdischer Raum, der nicht von Menschen gemacht, aber von ihnen benutzt worden war. Eine Höhle. Irgendwo tropfte Wasser, irgendwoher kam leises Wimmern. An einer Stelle in der Felswand entdeckte Bastian einen geschmiedeten Metallring - eine Fackelhalterung. Daneben lag ein massives Eisengitter auf dem Boden.
    »Das muss einmal der Kerker der Burg gewesen sein«, flüsterte Carina. »Seht ihr die Ketten an der Wand?«
    Wieder klopfte es, Stein auf Stein, viel lauter jetzt und begleitet von leisem Weinen.
    »Hallo?« Paul klang vorsichtig. Das Wimmern brach ab.
    »Seid ihr das? Gott sei Dank, endlich!« Unbeherrschtes Schluchzen, irgendwo vor ihnen. »Holt uns raus, oh bitte!«
    Bastians Herz tat einen Sprung. Die Stimme … das war Sandra, sie musste es sein, auch wenn sie heiser klang, verzweifelt und erschöpft.
    »Ist da jemand? Endlich! Oh Scheiße, bin ich froh!« Eine andere Stimme.
    Warze, das war Warze! Die letzten Tage über hatte Bastian sich immer wieder vorgestellt, wie es sich anfühlen würde, wenn einer der Vermissten lebendig und gesund wieder auftauchte, hatte sich dieses Glücksgefühl herbeigesehnt. Jetzt war es da, wenn auch überschattet von der Angst um sein eigenes Leben. Er durfte sich nicht vormachen, dass es überstanden war. Sie hatten bisher keinen Ausgang gefunden. Sein Todesurteil schwebte immer noch über ihm.
    Nun meldete sich auch Lars, rief nach ihnen aus der Dunkelheit des Verlieses. »Ich wusste, ihr lasst uns nicht im Stich.«
    Nur eine Fackel mitzunehmen, war ein Fehler gewesen, das Licht reichte bei Weitem nicht aus, um den gesamten Kerker auszuleuchten. Sie mussten den Stimmen folgen, Sandras war am leichtesten zu orten, sie kam aus der Richtung des Gitters, das, wie sie beim Näherkommen sahen, über einer Grube lag. Der flackernde Feuerschein fiel auf ihre kauernde Gestalt, mehr als zwei Meter unter ihnen.
    Sandra. Schmutzig und zitternd, mit verklebtem Haar. Ihr Kleid war an mehreren Stellen eingerissen, ihre Hände erdverkrustet, als hätte sie versucht, sich aus ihrem Verlies zu graben. »Ihr habt mich klopfen gehört, ja? Gott sei Dank!«
    Iris hielt die Fackel, während Paul und Bastian mit vereinten Kräften das Gitter packten und es anhoben. Es war schwer, sie konnten es immer nur einige Zentimeter weit bewegen; erst als Nathan und Georg mit anpackten, ging es schneller.
    Gemeinsam zogen sie Sandra heraus, die sich sofort in Pauls Arme warf und ihren Kopf an seine Brust schmiegte.
    »Ich hatte solche Angst, ihr würdet uns nicht finden. Oder dass ich den Verstand verliere.«
    Paul streichelte ihr behutsam übers Haar. »Das ist vorbei. Alles wird gut.«
    »Jemand war hier unten«, flüsterte Sandra. »Immer wieder. Er hat gesagt, er behält uns hier, bis er den Richtigen hat.«
    Pauls streichelnde Hand hielt inne. »Wer?«
    »Weiß ich doch nicht! Er! Er war wie ein Geist, nie waren da Schritte oder so, immer nur eine Stimme, tief und gurgelnd. Egal ob ich wach war oder geschlafen habe, ich habe ihn immer gehört.«
    »Ja.« Doro stand am Fuß der Treppe, ein dunkler Schatten. »Du musst dir keine Sorgen mehr machen, Sandra. Er wird dich nicht weiter quälen.«
    Zitternd atmete Sandra aus. »Ihr müsst auch noch Lars und Warze rausholen. Ich hab sie manchmal gehört, wir haben uns unterhalten … aber es geht ihnen nicht besonders gut. Ich war so froh, nicht ganz allein zu sein, ich wäre verrückt geworden.«
    »Wo sind sie?«
    Sandra zeigte links hinter sich. »Dort, glaube ich.«
    Georg und Ralf tasteten sich vorsichtig in die finsteren Ecken der Höhle vor.
    »Wir finden sie. Alles wird gut.« Paul rückte ein Stück von Sandra ab. »Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe geschlafen, dann erinnere ich mich an einen Schmerz … wie ein Schlag auf den Kopf. Und dann war ich hier. Dunkel, es war so dunkel …«
    Iris löste sich von Bastian und hockte sich neben Sandra. »Du hast niemanden gesehen?«
    »Nein.«
    »Nur gehört?«
    Sandra nickte.
    »Wie hat die Stimme geklungen? Schleppend? So als würde der Sprecher nach jedem Wort nachdenken, wie der Satz weitergeht?«
    Sandra sah Iris mit großen Augen an. Schüttelte wieder den Kopf, leicht erst, dann heftiger. »Nein.

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