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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Wasserflasche. Fast leer. Scheiße. Bald werden wir anfangen, die Mauer abzulecken.
    Als hätte sie seine Gedanken gehört, stieß Lisbeth einen unwilligen Laut aus und drehte den Kopf zur Seite, sah Bastian an, wieder weg, zu Boden. Unruhig wie jemand, der versuchte, einen bösen Traum abzuschütteln. Ihre Augen waren offen, aber seltsam blicklos. Was war denn auf einmal mit ihr los?
    Bastian blinzelte. Etwas hatte ihn kurz geblendet und für einen kurzen, hoffnungsvollen Moment dachte er, es wäre die Sonne, die durch eine bisher unentdeckte Ritze in der Decke drang. Nein. Da war kein Strahl und auch kein Spalt.
    Was sollen wir nur tun? Weiter die Gänge absuchen? Schutthaufen wegschaufeln, auf die Gefahr hin, dass Teile des Kellers einstürzen und uns erschlagen? Sein Blick blieb an dem kleinen Haufen Holz hängen, der neben dem Feuer lag. So wenig nur noch.
    Da! Wieder ein Lichtreflex, ein schnelles, helles Zucken. Wo kam das her? Bastian suchte mit zusammengekniffenen Augen nach dem Ursprung des Lichts, doch es war bereits wieder verschwunden.
    Behutsam strich er Iris über den Arm. »Wir müssen zusehen, dass wir etwas auftreiben, das sich verbrennen lässt«, raunte er. »Wenn das Feuer ausgeht … dann sitzen wir hier in einem schwarzen Loch voller Fallen und Hindernisse. Dann finden wir niemals einen Ausgang, sondern verdursten und verhungern in völliger Finsternis.«
    Sie nickte. »Paul sollte Gruppen einteilen, die suchen gehen. Irgendwo treiben wir bestimmt noch etwas auf.« Fröstelnd drückte sie sich an Bastians Schulter. »Andererseits - ohne Licht können sie dir nichts anhaben. Dann finden sie dich nicht.«
    »Im Moment lassen sie mich in Ruhe. Sandra, Lars und Warze verschaffen mir Zeit, die sollten wir nutzen -« Er unterbrach sich. Was tat Lisbeth denn jetzt? Sie wischte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, als würde sie versuchen, lästige Fliegen zu verscheuchen.
    Insekten wären ein gutes Zeichen, dachte Bastian. Auch wenn sie durch winzige Öffnungen dringen konnten - Öffnungen ließen sich erweitern.
    Er versuchte zu erkennen, womit Lisbeth es zu tun hatte, da hielt sie plötzlich in ihrer Bewegung inne.
    »Ge-«, stieß sie hervor. Ihr ganzer Körper versteifte sich, sie kippte um, aus ihrer Brust löste sich ein Schrei, lang und gequält.
    Bastian sprang auf, doch da war Georg schon zur Stelle, kniete neben ihr, schlüpfte blitzschnell aus seinem Wams und bettete behutsam ihren Kopf darauf, während er mit der anderen Hand alle umliegenden Steine wegfegte.
    »Was hat sie?« Alma kreischte. »Oh Gott, jetzt fordert Tristram sie als sein erstes Opfer, sie stirbt, seht doch, sie ist ganz blau im Gesicht …«
    Die Bestürzung der Gruppe machte sich lauthals Luft. Doro verfiel in neue Beschwörungen, Mona brach in Tränen aus, Ralf und Nathan hingegen kamen näher, gaffend mit offenen Mündern.
    »Geht weg!«, schrie Georg. Neben ihm hatte Lisbeth unkontrolliert zu zucken begonnen, sie schlug um sich, zwischen ihren Lippen lief erst Speichel hervor, dann Schaum.
    In Bastians Kopf fügte sich plötzlich alles zusammen. Sie war es gewesen, die zwei Nächte zuvor geschrien hatte, nachts. Lang gezogen, klagend, genauso wie jetzt. Dann ihre blauen Flecken, die Kratzer, die Art, wie sie jedem Feuer den Rücken zuwandte, weil sie wusste, was das Flackern bei ihr bewirken konnte. Georgs beschützendes Verhalten … und nun der Anfall. Erst tonische Phase, jetzt klonische.
    Epilepsie. Lisbeth war Epileptikerin.
    Und Georg machte alles richtig, er kannte sich aus, wusste genau, was er tat. Trotzdem lief Bastian zu ihm, kniete sich neben Lisbeth, begann zu zählen. Ein Grand-mal-Anfall sollte nicht mehr als fünf Minuten dauern, danach konnten Hirnschäden auftreten.
    Und wenn er länger dauert, was tust du dann, hm? Hast du etwa Diazepam in Reichweite? Nein. Eben.
    Er hörte wieder auf zu zählen, stattdessen riss er sich sein Wams vom Leib und legte es so um Lisbeths Kopf, dass dieser auch bei den heftigsten Zuckungen nicht mit dem Steinboden in Berührung kommen konnte.
    Der Krampfanfall hielt weiter an, Lisbeths Arme schlugen ziellos durch die Luft, ihre Beine traten ins Nichts.
    »Wieso habt ihr nichts gesagt? Nie etwas erwähnt?«
    »Sie will es nicht.« Zärtlich strich Georg über Lisbeths Arm. Er hielt sie nicht fest, griff nur sanft ein, wenn sie sich zu verletzen drohte. »Nur Sandra weiß es, vor allen anderen schämt sie sich. Und es ging ihr auch gut, das ganze letzte Jahr.«
    Lisbeth

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