Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
Vom Netzwerk:
dass er wartete, äußerlich geduldig, in Wirklichkeit aber angespannt bis zum Zerreißen. Der harte Zug um die fleischigen Lippen, die Zunge, die immer wieder hervorkroch und darüberleckte. Das waren deutliche Anzeichen. Ihm gefiel es hier nicht.
    Schnell wandte Iris den Blick ab, bevor Simon ihn spüren würde. Das konnte er, sie wusste es.
    Halb im Licht der Laternen, halb im Schatten, sah sie das Schwert daliegen, Pauls Schwert. Leider zu weit weg, als dass sie es hätte erreichen können, bevor Simon es tat, selbst wenn sie rannte wie der Teufel.
    Die Felswand drückte kleine, scharfe Spitzen in Iris' Seite. Aber nicht mehr lange. Gleich würde es überstanden sein, Bastians Vater hatte die von Paul vorbereiteten Papiere unterschrieben, nun machten sie sich zu dritt daran, das Gitter von der Grube zu heben.
    »Moment.«
    Simons Stimme ließ ihren Körper sofort wieder reagieren, sie drückte ihr förmlich die Kehle zu. Iris schluckte dagegen an, fühlte, wie sie zitterte.
    »Was ist denn?«, fragte Paul, merkbar ungeduldig.
    Simon trat aus dem Halbschatten hervor. Er hatte eine neue Zigarette angezündet, immer noch zuckte sein Blick durch den Keller. »Unsere Abmachung.«
    »Musst noch ein wenig Geduld haben«, sagte Paul, beide Hände am Gitter. »Du kriegst die Kohle, sobald sie verfügbar ist.«
    »Ich rede nicht vom Geld. Muss ich deinem Hirn auf die Sprünge helfen? Wo steckt sie? Auch in einem dieser Löcher?«
    Sie. Ich. Einen verrückten Augenblick lang wollte Iris aus ihrem Versteck springen. Loslassen, so wie jemand, der über einem Abgrund hing, losließ, weil er den Schmerz in den Armen nicht mehr ertrug.
    Sie drückte sich noch enger gegen die Felswand, presste eine Hand vor den Mund. Sah, wie Bastians Kopf eine erschrockene, unwillkürliche Bewegung in ihre Richtung machte.
    Dann, als ob ihm klar geworden wäre, dass er Iris damit beinahe verraten hätte, begann er, die anderen anzuschreien: »Was ist, ihr Wichser? Holt ihr mich jetzt endlich aus diesem Scheißloch?«
    »Schon gut.« Paul nahm seine Position an der linken vorderen Ecke ein. »Lars, hebst du die Ecke rechts? Carina, geh du zur anderen Seite. Perfekt.«
    Paul. Verräter. Iris sah ihn an, wollte wütend sein, war aber nur traurig. Er hatte Simon mit Geld geködert. Und mit ihr. Wie ein blasses Bild tauchte eine Erinnerung an den Mittelaltermarkt vor einem Monat auf - sie hatte gemeint, Simon zu sehen, doch Paul hatte sie beschwichtigt. Ob damals der Pakt geschlossen worden war?
    Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als er jedem seinen Platz zuwies, sich bückte und die Gitterstangen packte. »Hoch damit und drei Schritte nach rechts.«
    Mit metallischem Krachen landete das Gitter neben der Grube auf dem Boden; Lars und Paul zogen Bastian hinauf.
    Kaum war er oben, stieß er Paul von sich. »Du falscher Scheißkerl«, zischte er, ohne dabei Simon aus den Augen zu lassen, der ihn seinerseits mit schief gelegtem Kopf beobachtete und sich die Lippen mit seiner blassen Zunge leckte. Er würde nicht mehr lange ruhig dastehen, Iris sah, dass er es schon jetzt kaum noch aushielt, er hatte wieder begonnen, auf den Fußballen zu wippen. Nervös. Sprungbereit.
    Und ging sofort in Verteidigungshaltung, als Bastian überraschend losbrüllte. »Wenn ihr glaubt, ihr kommt mit diesem ganzen Wahnsinn durch, habt ihr euch geschnitten!« Er holte tief Luft, schritt energisch auf seinen Vater zu. »Du! Sehr schön, dass du jetzt endlich den Sohn gefunden hast, den du immer wolltest. Gratuliere. Und mir ist völlig klar, dass du nicht zur Polizei gehen wirst, genauso wenig wie Paul zur Presse. Aber - wer sagt euch, dass ich das nicht tue? Dass ich nicht morgen auf der nächsten Polizeistation sitze und das alles hier zu Protokoll gebe? Ich habe nichts zu verlieren, nicht das Geringste.«
    »Meine finanzielle Unterstützung möglicherweise.«
    »Ich scheiße auf dein Geld.«
    Sein Vater nickte langsam und ernsthaft mit dem Kopf. »Natürlich, Bastian. Ich habe längst begriffen, dass dir unser guter Name nichts bedeutet. Aber vergiss nicht, dass du Zeugen brauchst. So leid es mir tut, mir fällt spontan niemand ein, der sich dafür eignen würde.«
    Simon beobachtete die Szene lauernd, hatte Iris erstmals den Rücken zugedreht. Sie entspannte sich ein wenig, wagte einen tiefen Atemzug, ertappte sich bei der Vorstellung, wie sie sich von hinten auf ihn stürzte und ihm mit einem Stein auf den Kopf schlug.
    Bastian, immer noch förmlich glühend vor Zorn,

Weitere Kostenlose Bücher